Man könnte sie die erste Boygroup Deutschlands nennen: 1927 gründeten sich in Berlin die Comedian Harmonists – fünf damals bettelarme Sänger und ihr Pianist. Die Rassengesetze der Nazis beendeten 1935 ihre Ära, drei der international gefeierten Stars waren Juden. Die Komödie im Bayerischen Hof bringt ihre Geschichte auf die Bühne – am Mittwoch feierte „Die Comedian Harmonists“ von Gottfried Greiffenhagen (1935-2013) und in der Regie von Axel Stöcker Premiere.
Drei Zugaben mussten Klaus Steppberger als Ari Leschnikoff, Michael Birgmeier als Roman Cycowski, Manfred Stecher als Harry Frommermann, Florian Drexel als Robert Biberti, Manuel Adt als Erich Collin und Oliver Hahn als Pianist Erwin Bootz geben. Zu Recht. Jedem Einzelnen ist die Gesangsausbildung anzumerken. Gemeinsam klingt es dann recht harmonisch, wenn sie Hits wie „Veronika, der Lenz ist da“, „Mein kleiner grüner Kaktus“ oder „Schöne Isabella von Kastilien“ vortragen. An die Stimmen von einst reichen sie natürlich nicht heran.
Bis zur Pause ist alles ein großer Spaß: Angefangen vom Casting in einer armseligen, wohl eiskalten Hinterhofbude, für das Harry Frommermann (1906-1975) das Anzeigengesuch aufgab: „Tenor, Bass (Berufssänger, nicht über 25), sehr musikalisch, schönklingende Stimmen, für einzig dastehendes Ensemble unter Angabe der täglich verfügbaren Zeit.“
Stecher hat als Frommermann eine illustre Bewerbungspalette, darunter ein Weihnachtsmann – es wird gestolpert und gefallen in bester Slapstickmanier. Dann ein Gänsehautmoment, als durch die geschlossene Tür Florian Drexels Bass ertönt: „In diesen Heil’gen Hallen“, Sarastro aus Mozarts „Zauberflöte“. Der Sänger spielt Robert Biberti (1902-1985). In der Inszenierung ist er der Einzige, der durch freche Berliner Schnauze glänzt, manchmal etwas bemüht. Nach und nach stoßen die anderen dazu. Hier sei Klaus Steppberger hervorgehoben, der seinem Ari Leschnikoff (1867-1978) nicht nur den nötigen Witz und bulgarischen Akzent verleiht, sondern den Gesang mit seiner umfänglichen Tenorstimme dominiert.
Im Folgenden werden die Zuschauer Zeugen, wie sich die sechs Musiker zusammenraufen, über Proben und Arrangements zanken, fast aufgeben, um endlich doch ein eigenes Profil und Engagements zu finden. Da ist für Zwerchfell, Augen und Ohren vieles geboten. Und der Spaß, den die Darsteller haben, überträgt sich in den Theatersaal.
Nach der Pause wird’s dann betrüblich. Die Nazis kommen an die Macht und verbieten Juden, gemeinsam mit „Ariern“ Kunst aufzuführen. Wenn da plötzlich die Nazifahne auf die Bühne kracht, und Wolfgang Haas mit Hakenkreuz-Binde die Rassengesetze ins Publikum brüllt, senkt sich nachhaltige Betroffenheit über die Leichtigkeit. Da hilft es auch nicht, dass viel gesungen wird. Und wenn als letztes Stück „Irgendwo auf der Welt, gibt’s ein kleines bisschen Glück“ erklingt, ist das nicht nur ein bittersüßer, sehnsuchtsvoller Rausschmeißer – sondern auch Mahnung an uns, dass es solchen rechten Wahnsinn nie wieder geben darf.
Weitere Vorstellungen
bis 24. Oktober;
Telefon 089/29 16 16 33.
Das Casting der Truppe ist herrlicher Slapstick