„Das Album ist schon eine Rückschau, aber das Ding ist noch nicht gegessen“, sagt Peter Maffay im Gespräch mit unserer Zeitung. Das Ding – das ist sein Leben. Der Mann, der seit 1983 am Starnberger See lebt, hat noch viel vor – und beweist das mit „Weiter“, einem der wenigen klassischen Rocksongs und genau in der Mitte seines Albums „So weit“ platziert, das heute erscheint. In dem Stück bricht Maffay mit der Melancholie, der Reflexion über Vergänglichkeit. Da singt er: „Mein Herz schlägt immer noch von Augenblick zu Augenblick.“
Kann man als Musiker mit 72 Jahren und nach mehr als 50 Alben (19 davon auf Platz eins der Charts) noch mal etwas völlig Neues veröffentlichen? Maffay beantwortet diese Frage mit Ja. Bei „So weit“ legt der Musiker den Fokus auf Akustikgitarren und seinen unverkennbaren Gesang – das klingt musikalisch intim, authentisch, besinnlich. Das völlig Neue aber ist die autobiografische Ordnung der Platte und dass Maffay Familienmitgliedern Lieder widmet, in denen er von großen Gefühlen singt. „So weit“ ist mit Abstand sein persönlichstes Album.
„Ich wollte mich entlasten, Dinge aussprechen, die mich berühren, mich zu den Empfindungen bekennen, sie zulassen, um die Aufgewühltheit und die innere Unruhe zu überwinden“, schreibt der Musiker im Geleitwort zur neuen Platte. Im letzten Song singt Maffay vom „ganz großen Finale“ seines Lebens. „Wir zwei“ ist ein sanft dahingroovendes Liebeslied für seine Lebensgefährtin Hendrikje Balsmeyer. „Jedes Ende wird ein Anfang sein“, heißt das erste Lied, eine astreine Country-Nummer mit zwei Westerngitarren. Der Kreislauf des Lebens, das Kommen und Gehen, Zukunft und Vergangenheit: Diese Themen beschäftigen Maffay intensiv, seit seine Tochter Anouk geboren wurde und sein Vater Wilhelm gestorben ist. „Wenn der Vorhang fällt, geht ein anderer dafür auf, eine Hoffnung stirbt leise, ein neues Leben schreit laut“, singt er.
Es sind Maffays persönlichste Songs, ohne Frage. Nie zuvor komponierte er alle Stücke selbst. Aber die Texte ausformuliert hat sein Kollege Johannes Oerding. „Oft reichte Johannes ein Blatt Papier mit ein paar Zeilen ins Aufnahmestudio und sagte: ,Versuch’ es mal damit und sag’, ob es gut ist für Dich‘.“
Seine Band konnte der Künstler Corona-bedingt nicht in seinem Studio am Starnberger See zusammentrommeln – genau das begriff der 72-Jährige als Chance. „Ich habe mir einen Traum erfüllt“, sagt er. Mit Band würden sich die Songs „vom ursprünglichen Impuls“ entfernen. „Dem einen ist es zu laut, dem anderen zu leise, zu langsam oder zu schnell“, erklärt Maffay. Gegen eine solche Dynamik habe er zwar nichts einzuwenden. Er wollte es aber endlich mal anders machen. „Ohne die Pandemie gäbe es das Album nicht“, ist der Tutzinger überzeugt. Ganz allein spielte er die Instrumente dann aber doch nicht ein, sondern mit dem niederländischen Multiinstrumentalisten J.B. Meiers. „Zwei Mann am Mischpult, eine Garagen-Situation“, sagt Maffay.
Im „Lockdown-Blues“ singt er sich aber auch den Frust über das Quasi-Berufsverbot für Künstler in Corona-Zeiten von der Seele. Zur Untätigkeit verurteilt zu sein, ist nicht sein Ding. Der treibende Blues mit dem klischeehaften Mundharmonika-Solo macht zwar Spaß, mag aber gar nicht ins Konzept passen. Eingängige Lieder wie „Wenn wir uns wiedersehn“ (für seinen Vater) und „Wounded Knee“ (in Erinnerung an das Massaker 1890 an den Sioux) dürften dagegen nicht nur Fans berühren. Abgesehen von ein, zwei wilden Ausreißern ist „So weit“ also eine runde, gerade im Herbst warm-wohltuende Sache.
Peter Maffay:
„So weit“
(Red Rooster/Sony).