„Oper für alle“ ist in München längst lieb gewonnene Tradition. Und das wird zweifellos auch unter dem frisch angetretenen Leitungsteam so bleiben, das dieses Motto für sich nun aber noch einmal ganz neu definiert. Denn wie es Intendant Serge Dorny in seinen Grußworten ans Publikum so treffend formulierte, ist der Name seines Hauses eben nicht „Münchner“ Staatsoper, sondern „Bayerische“ Staatsoper. Deshalb wurde der Saisonauftakt zum ersten Mal nicht zuhause, sondern im fränkischen Ansbach mit einem prominent besetzten Freiluftkonzert gefeiert. Kulturpolitisch ist das ein wichtiges Signal, das in Zukunft auch mit anderen Partnerstädten Fortsetzung finden soll. Schließlich wird das Vorzeige-Opernhaus ja mit Geldern des gesamten Freistaates subventioniert.
Jenseits solcher Gedankenspiele war „Oper für alle“ für die 2800 Besucherinnen und Besucher auf dem Ansbacher Karlsplatz aber vor allem eines: ein milder Herbstabend voller wunderbarer Melodien. Wobei der neue Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski für diesen Anlass die üblichen Open-Air-Knaller bewusst für die Zugaben aufgespart hatte und zuvor ein buntes Programm präsentierte, das sich dramaturgisch an die kommenden Premieren anlehnte. So etwa mit dem filigranen Streichsextett aus „Capriccio“, mit dem das Staatsorchester den Beweis erbrachte, dass es nicht nur kraftvoll donnernden Verdi beherrscht, sondern ebenso in kleiner Formation überzeugen kann. Ein klug gesetzter und gerade deshalb umso intensiverer Ruhepol im Mondschein.
Ebenso eine Überraschung war die „Soirées musicales“-Suite op. 9, in der sich Benjamin Britten ganz unbritisch an Rossini abarbeitete. Jurowski gelang hier ein ähnlich effektvoller Balanceakt wie in der satirisch gefärbten „Jazz-Suite Nr. 2“ von Schostakowitsch.
Großen Applaus gab es natürlich auch für das Solistenpärchen – vor allem für Piotr Beczala, der überaus kurzfristig den erkrankten Jonas Kaufmann abgelöst hatte und sich in den Ausschnitten aus Francesco Cileas Verismo-Schmachtfetzen „Adriana Lecouvreuer“ ein feuriges Duell mit Ekaterina Semenchuk lieferte. Gefolgt von einem strahlenden „Nessun dorma“, bei dem das Ansbacher Publikum das Motto in „Oper von allen“ änderte und vor dem finalen „Vincero“ kurzerhand selbst den in München verbliebenen Chor ersetzte.