Dänische Delikatesse

von Redaktion

INTERVIEW Der Regisseur Anders Thomas Jensen über seinen neuen Film, Schicksal und Träume

Es gibt kein Pressefoto zu Anders Thomas Jensens neuem Film „Helden der Wahrscheinlichkeit“, auf dem er lächelt. Das verwundert – denn seine rabenschwarzen Komödien wie „Dänische Delikatessen“ (2003), „Adams Äpfel“ (2005) oder „Men & Chicken“ (2015) zählen zum Lustigsten, was das dänische Kino zu bieten hat. Gleichzeitig weiß der 49-Jährige, auch ernste Stoffe sehr erfolgreich zu erzählen. Für Dramen wie „Nach der Hochzeit“ (2006) schrieb er die Drehbücher. Nun kommt am Donnerstag sein nächster Streich in die deutschen Kinos. (Die Kritik lesen Sie in der Donnerstagsausgabe.) Wieder spielen in diesem Film über Schicksal und Zufall Mads Mikkelsen, Nikolaj Lie Kaas und Nicolas Bro die Hauptrollen, mit denen Jensen bereits etliche Erfolge feierte. Wir trafen den Regisseur und Autor zum Interview in München. In dem er übrigens sehr häufig und sehr freundlich lachte.

Den richtigen Ton zwischen Komödie und Tragödie zu treffen, ohne dass es albern oder zynisch wird, ist ein schmaler Grat. Doch Sie scheinen in Ihrem neuen Film darauf locker leicht zu tänzeln, als ob nichts sei.

(Lacht.) Danke, das freut mich. Sie haben Recht: Es ist ein schmaler Grat. Ich habe viele ernste Dramen geschrieben und meine eigenen schwarzen Komödien als Regisseur verwirklicht. Nun wollte ich versuchen, ob ich beides miteinander verbinden kann.

Und: Wie schwierig war es wirklich?

Nicht ganz so leicht, wie es aussieht. Wir haben auf der einen Seite sehr schräge Charaktere, wie Comicfiguren. Und demgegenüber sehr ernsthafte. Der Clou ist die Figur des Otto, den Nikolaj Lie Kaas spielt. Er pendelt zwischen Komik und Tragik. Ich habe viel Zeit mit Nikolaj darauf verwendet, den Charakter zu entwickeln. Das Wichtigste ist aber der Schnitt. Wir haben so viele lustige Szenen herausgeschnitten…

Gar nicht leicht, seine Darlings zu killen, oder?

Nein, wirklich nicht. Aber du musst es tun, um die Balance zu wahren. Wenn es zu sehr ins Komische kippt, verlierst du die tiefen Gefühle, die du ja auch transportieren möchtest. Es ist ein langer Prozess, aber ein sehr lustiger.

Glauben Sie, dass der Film auch mit anderen Schauspielern, die einander nicht so vertraut sind, funktionieren würde?

Es wäre viel, viel schwieriger. Und es wäre wohl auch nicht so erfolgreich. Der Erfolg beruht ja auch auf unseren vorherigen gemeinsamen Filmen. Wir kennen einander gut, das spürt das Publikum.

Im Film geht es um das Thema Schicksal. Glauben Sie daran?

Nein, ich glaube nicht an ein vorgesehenes Schicksal. Ich glaube, wir sind alle völlig verrückten Zufällen unterworfen. Und wir haben keine Chance, das irgendwie zu kontrollieren. Uns bleibt nur, das Beste daraus zu machen.

Es gibt keinen höheren Sinn, keinen Plan?

Nein, wenn man das Leben ganz objektiv betrachtet, ist es sinnlos. Ich bin nicht religiös. Aber was ich glaube und was der Film sagt, ist: Du kannst deinem Leben selbst Bedeutung geben, indem du dich mit Menschen umgibst, denen du guttust und die dir guttun, oder durch Arbeit, soziale Projekte, was auch immer. Die Bedeutung müssen wir selbst den Dingen zuschreiben. Die Idee, dass das Leben an sich einen bestimmten Zweck haben sollte, finde ich lächerlich.

Nehmen wir uns selbst zu wichtig, wenn wir meinen, dass unser Leben einen höheren Sinn hat?

Vielleicht. Ich habe vier Kinder, das erfüllt mich mit Sinn, aber es erfüllt keinen höheren Zweck. Denn ich weiß ja, dass auch meine Kinder irgendwann sterben werden. Für die Welt macht das keinen großen Unterschied. Nur für die Menschen, die sie lieben und von denen sie geliebt werden. Das ist, was für mich Sinn ergibt: die Freude daran, anderen zu helfen, für andere da zu sein. Und klar: Filme zu machen.

…der Starttermin Ihres neuen musste Corona-bedingt mehrmals verschoben werden. Haben Sie Sorge, dass wir uns in der Pandemie das Kino abgewöhnt haben?

Ich glaube nicht. Das Besondere am Kino ist ja diese aktive Entscheidung, aus dem Bett aufzustehen, etwas anzuziehen, zum Kino zu laufen, ein Ticket zu kaufen, weil du diesen Film wirklich sehen möchtest. Das liebe ich. Im Gegensatz dazu, im Bett abzuhängen, durch Netflix zu scrollen, nichts zu finden, was einen anspricht, und dann einfach irgendetwas anzuschauen. Das ist doch irgendwie traurig. Und sehr oft Zeitverschwendung. Jeder hat eine Küche, trotzdem werden wir weiter in Restaurants gehen, oder nicht? Die Kinos werden überleben.

Sagen Sie als Kino-Fan. Wussten Sie schon immer, dass Sie einmal in diese Branche möchten?

Ja, in der neunten Klasse haben meine Mitschüler ins Jahrbuch Sachen geschrieben wie „Ich hoffe, er wird der neue Spielberg.“

Vielleicht war das Ihr Schicksal!

(Lacht.) Vielleicht war es das. Wobei das auch wieder ein bisschen langweilig ist, oder? Schon als Kind zu wissen, was man später mal beruflich machen möchte und es dann tatsächlich zu machen.

Wie würde die Geschichte besser klingen?

Mir würde es gefallen, wenn ich zum Beispiel Zahnarzt gewesen wäre und dann Soldat wurde und dann durch eine verrückte Verstrickung Regisseur wurde.

Trotzdem schon stark, seinen Traum zu leben, oder?

Ja, das ist wahr. Hätte mir mit 18 jemand gesagt, ich biete dir dieses Leben an, hätte ich definitiv gesagt: Ja, bitte, her damit!

Das Gespräch führte Katja Kraft.

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