Ja okay, es ist ein Roman. Aber ein eigenwilliger aus der Feder von PeterLicht. Dessen Zeilen haben, selbst wenn sie als Prosa oder Drama geschrieben sind, die Tendenz, wie Songtexte zu klingen. Und Songtexte – großer Vorteil – brauchen keine Logik. Ziellos können sie sich um Befindlichkeiten winden, so lange und so redundant sie wollen, sie haben ja den Sound, der sie verbindet, und den Refrain. Es ist also gar nicht so schwer, sich PeterLichts ersten Roman „Ja okay, aber“ als eines seiner Indie-Alben vorzustellen.
„Wenn ich nicht hier bin, bin ich auf’m Sonnendeck“, sang er sich vor 20 Jahren tiefenentspannt in Sommerurlaubsherzen – und genau das wäre auch die Einstellung seines neuen Roman-Ichs im „Coworking Space“. Käme vor dem Vergnügen nicht diesmal noch die Arbeit. Und vor der Arbeit: ein 240 Seiten langer innerer Monolog aus indie-pop-philosophischen Vermeidungsstrategien. „Ich halte mein MIND und mein LEBEN hin und die Arbeit entsteht. Wir werden eins und das Wunder findet statt. Davon lebe ich“, stellt der neue Antiheld des Bachmann-Preis-Gewinners ironisch fest, „aber niemand hat gesagt, dass man sich Sisyphos als einen durch und durch durchnässten Coworker vorstellen muss, der im gebrochenen Deich seiner Entscheidungsfreude mit bloßen Händen die Flut der Gedanken aufhalten soll.“
Dass im sozialistischen Selbstgespräch Wörter wie PROJEKT, VORANKOMMEN oder ARBEITSPAUSE in Großbuchstaben gedruckt sind, versteht sich von selbst. „Die Maschine ist die Lokomotive unserer Arbeitskraft.“ Gemeint ist hier allerdings, so praktisch wie symbolisch, die Kaffeemaschine. „Wir“, das sind die Allroundkünstlerin, der Architekt, „der Fotograf im Körper eines Lokalreporters“, der Hundeführer, der Armutsforscher, der Programmierer, „der, von dem man nicht weiß, was er tut“ – und Freund Shorzi, der eine Zeit lang „wegen einer privaten Megakrise“ in den Space zieht. Vor allem aber spricht aus diesem „Wir“ das maximal selbstreflexive, entschlussarme Ich des Erzählers, der „workingbereit an der Tischkante“ kniet und innehält. „Die Gallerttropfen der Trägheit versauen meine Aktivbilanz.“ Eine moderne poetische Definition des Nichtstuns inmitten des allgegenwärtigen Leistungsdrucks.
„Hier in der DEPRESSIVEN Gesellschaft der Schmerzen ist die Depression eine politische Haltung.“ Wem da einiges hypochondrisch wörtlich bekannt vorkommt, der erinnert sich übrigens nicht zu Unrecht an PeterLicht als Regisseur und Co-Dramatiker von „Der eingebildete Kranke oder Das Klistier der reinen Vernunft“ am Münchner Residenztheater Ende 2019. So schnodderig, handlungsarm und bissig selbstvernichtend das Buch auch klingt: Sein Refrain ist die Suche nach Klarheit, Sinn, Anerkennung, Gemeinschaft, Genuss, Gespür fürs Selbst und Selbsthilfe-Impuls in einer Gesellschaft der hohlen „Egalheit“, der vakuumierten Wort- und Traumhülsen aus Behauptung und Oberflächlichkeit. „Erfinde dich neu, denke ich. Sonst erfindet die Zeit einen anderen.“
Der „Coworking Space“ indes erlebt eine apokalyptische Orgie, bei der sich jemand in die Martin-Heidegger-Klolektüre „Sein und Zeit“ schnäuzt und der Siebträger des „kistenhaften Heiligtums“ zu ähnlich zweifelhaften Erweckungserlebnissen führt. Der Held verlässt den Space, und der Leser verlässt den Romanhelden in der kathartischen Gewissheit eines Happy Ends. Oder, um es im unvergleichlich versöhnlichen PeterLicht-Sound zu sagen: „Manchmal finde ich, jetzt könnte es mal wieder bleiben, wie es war.“
PeterLicht:
„Ja okay, aber“. Tropen Verlag, Stuttgart, 240 Seiten; 20 Euro.