Wolfgang Petry hat in seinem Leben vieles gegeben, aber nicht sein letztes Hemd. Plötzlich steht er wieder da, in der alten Pracht, wenn man das so nennen will. Die Haare ergraut, aber lang, die Jeans verwaschen. Und vor allem: im gemütlichen Holzfällerhemd, das man länger nicht mehr an ihm gesehen hat. Fast so wie damals, als er die Stadien der Republik füllte. Zu bewundern ist die kleine Retro-Modenschau im Clip zu Petrys neuem Lied „Kämpfer“, in dem der Sänger auftritt und das sein neues Album „Auf das Leben“ einläutet (erscheint am 24. September). Nicht nur seine Fans dürften den Aufzug als Botschaft lesen: Der „Wolle“ von einst ist wieder da – pünktlich zu seinem 70. Geburtstag heute.
Petry wurde 1951 als Franz Hubert Wolfgang Remling geboren. Viele glauben, er sei aus Dortmund, Duisburg oder Essen, weil er dem Ruhrgebiet einen Liebesbrief sang („Ihr seid das Ruhrgebiet, die Droge, die mich süchtig macht“) und sich als „Kumpelrocker von nebenan“ sehr gut zwischen Currywurst, Pils und Maloche einordnen ließe. Tatsächlich ist Petry aber Kölner. Sein Aufstieg zu einem der erfolgreichsten Schlagersänger Deutschlands begann mit einem Auftritt in einer Disco mit dem Namen „Whisky Bill“ in Rösrath. Vor allem die Neunziger waren ein goldenes Jahrzehnt für „Wolle“. Die Menschen brüllten enthusiastisch „Hölle, Hölle, Hölle!“, zu seinen Stadion-Konzerten kamen Zehntausende, und Petry wurde als Gesamterscheinung Kulturgut.
Die Zäsur kam 2006, als Petry trotz großer Erfolge verkündete, er wolle nun abtreten. 2018 entstand sogar ein Musical mit seinen großen Hits von „Bronze, Silber und Gold“ über „Weiß der Geier“ bis zum legendären „Wahnsinn“ – eigentlich ein untrügliches Zeichen, dass die Karriere im letzten Verwertungsabschnitt angekommen ist. Nach einem wenig erfolgreichen englischsprachigen Intermezzo als Pete Wolf kam dann aber wieder Schlagermusik – und das Holzfällerhemd. JONAS-ERIK SCHMIDT