Das Haus der Stars

von Redaktion

Das Deutsche Theater München feiert seinen 125. Geburtstag

VON TOBIAS HELL

„Palast des Lächelns“, „Feenpalast“, „Tempel der leichten Muse“ – es gab viele Spitznamen, unter denen das Deutsche Theater in seiner 125-jährigen Geschichte bekannt war. Wobei es zu kurz greifen würde, das Münchner Traditionshaus nur auf das Unterhaltungsgenre zu reduzieren. Stammten doch die ersten Noten, die hier erklangen, von Beethoven. Seine „Weihe des Hauses“ war am 26. September 1896 auf dem Programm, als sich an der Schwanthalerstraße erstmals der Vorhang hob. Ein Abend, der zwiespältig vom Publikum aufgenommen wurde. Stand das dargebotene Melodram „Die Sünde wider den Heiligen Geist“, das im Geist des Naturalismus das Arme-Leute-Milieu heraufbeschwor, doch in hartem Kontrast zum goldverschnörkelten Prunk des neobarocken Theatersaals. Kritisiert wurde aber vor allem das abschließende Ballett „Ein Mahl des Nero“, von dem die katholisch-konservative Tageszeitung „Das bayerische Vaterland“ zu berichten wusste: „Haufen von Busen, Schultern und Waden, genug um selbst einen Türken satt zu machen.“

Seine erste Glanzzeit verdankte das Deutsche Theater nach der Jahrhundertwende trotzdem weniger ambitionierten Schauspiel-Produktionen als vielmehr seinen bunten Varieté-Programmen, bei denen von Tänzerinnen und Artisten, Clowns und Musikanten bis hin zu Ringkämpfern für jeden Geschmack etwas geboten war. Eine Tradition, die man jüngst mit der Zwanzigerjahre-Revue „Berlin Berlin“ wieder aufleben ließ, die im März 2022 im Anschluss an die Ballsaison auf den Spielplan zurückkehrt.

Eine kleine Sensation hätte 1929 auch das Gastspiel von Josephine Baker werden sollen. Doch war der afro-amerikanische Varieté-Star nicht nur den erstarkenden Nationalsozialisten ein Dorn im Auge, deren verbale Attacken schließlich dazu führten, dass die Polizeidirektion ihren Tanz im Bananenröckchen wegen „Verletzung des öffentlichen Anstands“ verbot. Ein erstes Vorzeichen der „Kraft durch Freude“-Ära, in der auch Joseph Goebbels regelmäßig die Münchner Premieren besuchte. Das Ende des Hauses schien am 9. März 1943 besiegelt, als Bühne und Zuschauerraum bei einem Bombenangriff zerstört wurden. Doch bereits 1951 öffnete das wieder aufgebaute Theater erneut seine Pforten – wobei Revuen und Operettenproduktionen rasch um das aus den USA importierte Musical erweitert wurden.

Legendär das „West Side Story“-Gastspiel 1961 in der Broadway-Besetzung, dem bis heute regelmäßige Tournee-Produktionen folgten. Oder die Münchner Erstaufführung von „My Fair Lady“ 1962, die seither ebenfalls in einer Vielzahl von Interpretationen zu erleben war. Etwa mit Richard Chamberlain, der 1994 in die Rolle des Professor Higgins schlüpfte. Nur einer von vielen prominenten Namen, die hier zu erleben waren. Wie Magier David Copperfield, der bei seinem Aufenthalt in München Topmodel Claudia Schiffer kennen- und lieben lernte. Aber auch Louis Armstrong, Shirley MacLaine, Duke Ellington, Angelika Milster, Rudolf Nurejew und Maximilian Schell (1968 als Hamlet) traten hier auf. Und sogar die Baker, die 1953 ihr verhindertes München-Debüt von 1929 doch noch nachholen konnte.

Der letzte große Einschnitt folgte 2008, als man wegen dringend notwendiger Sanierungen für fast sechs Jahre nach Fröttmaning ziehen musste. Dort erleichterte die Uraufführung des überfrachteten und teils unfreiwillig komischen Papst-Musicals „In nomine patris“ den Start in die Exil-Zeit nicht. Doch folgten zum Glück bald Erfolgsproduktionen wie „Elisabeth“, „Cabaret“ oder die „Rocky Horror Show“, aber auch die erste Begegnung mit der schwedischen Streetdance-Sensation Bounce, die mit „Insane in the Brain“ einen glänzenden Einstand feierte. Eine Erinnerung daran, dass das Deutsche Theater auch in Sachen Tanz stets am Puls der Zeit war und unter anderem spannende Begegnungen mit Alvin Ailey oder der Martha Graham Dance Company ermöglichte.

Bleibt zu hoffen, dass der Spagat zwischen populären Publikumshits und mutigen Experimenten auch in den nächsten 125 Jahren gelingt. Zumindest mit der Premiere vom „Schuh des Manitu“, der ab 13. Oktober die Jubiläumssaison einläutet, dürfte der „Palast des Lächelns“ seinem alten Spitznamen garantiert wieder Ehre machen.

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