Eine Sternstunde mit einem Star: Sharon Stone präsentierte sich bei einem Publikumsgespräch im Rahmen des Zurich Film Festival in Hochform. Die 63-jährige Leinwand-Ikone, geboren als Fabrikarbeiter-Tochter in einem Kaff in Pennsylvania und gesegnet mit einem Hochbegabten-IQ von 154, war laut eigenem Bekunden in ihrer Jugend eine scheue Brillenschlange und Leseratte: „Sogar bei Rendezvous hatte ich immer ein Buch dabei“, gestand sie lachend in Zürich. Dort erwies sie sich einmal mehr als begnadete Erzählerin – ähnlich wie in ihrer heuer erschienenen, so brillanten wie bewegenden Autobiografie. Darin schildert sie etwa schonungslos ehrlich, wie sie als Mädchen jahrelang von ihrem Großvater sexuell missbraucht worden war oder wie sie vor 20 Jahren einen Schlaganfall mit Hirnblutung nur knapp überlebte. „Danach musste ich als alleinerziehende Mutter eines einjährigen Sohnes erst mühsam wieder laufen, sprechen und schreiben lernen“, verriet sie. Nachdem ihr Bruder wegen Drogenhandels im Knast gelandet war, seien ihre Eltern entsetzt gewesen, als sie die Schule schmiss und nach New York abhaute, um eine Schauspiel- und Modelkarriere zu starten. Auf die Frage ihres Schauspiellehrers nach ihrem Ziel habe sie geantwortet: „Ich möchte mich neben Robert De Niro behaupten können.“ Das ist ihr tatsächlich geglückt – als Gangsterbraut in Martin Scorseses Mafia-Epos „Casino“ gewann Sharon Stone 1996 einen Golden Globe. Glänzend gelaunt berichtete sie, wie sie spontan auf Rollschuhen zum Casting für Woody Allens „Stardust Memories“ rauschte und so ihre erste Kinorolle ergatterte oder wie sie sich für ihren Auftritt als Action-Amazone an der Seite von Arnold Schwarzenegger in „Total Recall“ 25 Kilo Muskelmasse antrainierte. Wunderbar warmherzig wirkte sie in der Fragestunde, als wollte sie endgültig mit dem Vorurteil aufräumen, sie sei selbst auch so ein eiskalter Vamp wie die männermordende Femme fatale, die sie in „Basic Instinct“ verkörpert. Die Rolle der manipulativen Psychopathin habe sie wegen ihrer Komplexität gereizt – und ihr wochenlang schlaflose Nächte bereitet. Der Film machte Stone weltberühmt und stellte ihr Leben auf den Kopf. Am Tag nach der Premiere in Cannes brach jemand in ihr Hotelzimmer ein: „Alles war geklaut – Kleider, Unterwäsche, Kontaktlinsen, Kamera, Zahnbürste, einfach alles“, erzählte sie. Beim Versuch, sie in ein anderes Hotel zu verfrachten, habe ein fanatischer Fan ihr sogar einen Zehennagel ausgerissen. Fortan sei sie in der Öffentlichkeit oft massiv bedrängt worden; Leute hätten versucht, ihr Haare und Kleider vom Leib zu reißen. „Eine Woche zuvor hatte es noch keine Sau interessiert, wenn ich an einer Kreuzung hielt. Und nun waren plötzlich 30 Menschen auf meinem Autodach, ich dachte: Heilige Scheiße, was mache ich jetzt? Darf ich einfach losfahren? Wie, wenn ich jemanden verletze?“
Sie nutzte ihren Star-Status, um als eine der ersten Frauen in Hollywood für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung zu kämpfen. Nachdem sie bereits als Schülerin negativ aufgefallen sei, weil sie es gewagt hatte, der „völlig unweiblichen“ Tätigkeit des Denkens nachzugehen, habe man ihr auch im Filmbusiness immer wieder eingeschärft: „Männer wollen nicht hören, was du denkst!“ Oft sei sie am Filmset als einzige Frau von 250 Männern umringt gewesen und habe sich erst einmal deren Sprache („Männisch“) aneignen müssen. Für „Basic Instinct“ habe sie 500 000 Dollar bekommen, Michael Douglas hingegen 14 Millionen. Beim nächsten Film habe man sie wieder mit einer vergleichsweise mickrigen Gage abspeisen wollen. Da habe ihr Vater, ein leidenschaftlicher Feminist, zu ihr gesagt: „Lass dir das nicht gefallen! Vergiss nicht: Du siehst sogar in einem Jutesack noch umwerfend aus!“
1994 produzierte sie den Western „Schneller als der Tod“, den man heute vermutlich als feministisches Meisterwerk feiern würde, doch damals war die Zeit dafür noch nicht reif. Vergeblich versuchte Sharon Stone, Geld für eigene Regieprojekte aufzutreiben – seinerzeit unerhört für eine Frau. Hollywood ließ sie fallen; sie wurde stattdessen zu einer Kämpferin für diverse humanitäre Anliegen. „Die vergangenen Jahrzehnte waren zwar mies für mein Konto, aber gut für mein Karma.“
Am Abend zuvor hatte sie in einem goldenen Paillettenkleid den Ehrenpreis des Festivals entgegengenommen – und dabei neben ihrer glamourösen auch ihre verletzliche Seite gezeigt: Ein Zusammenschnitt ihrer schönsten Filmszenen trieb ihr Tränen in die Augen. „Das war, als wäre gerade mein Leben an mir vorbeigezogen“, sagte sie. „Wissen Sie, nach all den Lockdown-Monaten als Mutter dreier Teenie-Söhne mit stinkenden Socken daheim hatte ich schon völlig vergessen, dass ich mal ein Filmstar war!“ Auf die Frage nach ihrem größten Wunsch meinte sie schließlich: „Ach, ich bin so froh, noch am Leben zu sein – nun möchte ich einfach bloß noch erleben, wie meine Buben aufwachsen!“