Wer bricht die Kraft des Fluchs?

von Redaktion

Verdis „La forza del destino“

VON MAXIMILIAN MAIER

Auch wenn etliche Häuser wohl glücklich wären ob so einer Auslastung – und zwar nicht erst seit Corona –, klaffen einige Lücken im sonst randvoll besetzten Zuschauerraum des Münchner Nationaltheaters. Also: Jetzt ist die ideale Chance, auch kurzfristig an Karten zu kommen und sich wieder von musikalischer Exzellenz anregen zu lassen. Das Publikum tut es an diesem Abend und spendet immer wieder großen Beifall. Und das, obwohl die extrem fade Inszenierung von Martin Kušej aus dem Jahr 2013 eine Herausforderung ist. Weniger „Macht des Schicksals“ als mehr „Macht der szenischen Langeweile“.

Nicht nur, dass es immer wieder grob unlogische Anschlussfehler gibt. Kušej verweigert sich allen zentralen, heute durchaus nicht einfach zu behandelnden Topoi von Verdis Oper: Blutschande, die ernsthafte Suche eines Auswegs im Glauben, abergläubische Angst vor Fluch und dem unausweichlichen Schicksal, aber auch Vergebung. Zudem wirkt die Personenregie nach wie vor hilflos, nicht nur, wenn Carlo und Alvaro linkisch mit ihren Messern rangeln. Musikdrama kommt so keines auf. Die Inszenierung bleibt ein Vehikel für tolle Stimmen.

Anja Harteros ist als Leonora wie bei der Premiere der leuchtende Mittelpunkt der Aufführung; Attacke in der Höhe, große dramatische Ausbrüche und immer wieder diese wunderbaren Harteros’schen Schwebetöne, die die Zeit kurz zum Stillstand bringen. Stefano La Colla ersetzt den erkrankten Jonas Kaufmann als Alvaro mit imposanten, stählernen Spitzentönen, auf denen er sich aber nicht ausruht. Immer wieder gelingt es ihm, seinem festen Tenor auch lyrische Farben abzugewinnen.

George Petean schont sich als rachegetriebener Carlo keine Sekunde, inklusive einer fulminant gesungenen Arie „Urna fatale“. Während Mika Kares als Calatrava/Guardiano mit seidigem Timbre und stimmlicher Noblesse punktet, ist Ambrogio Maestri für den Melitone eine urkomödiantische Luxusbesetzung, wie sie sonst nur in großen Aufnahmen der Fünfziger- und Sechzigerjahre üblich war. Bis unter die Haarspitzen motiviert orgelt Ekaterina Semenchuk als Preziosilla.

Dies hat sie mit Andrea Battistoni gemein. Er zeigt mit bestens aufgelegtem Staatsopernchor und formidablem Staatsorchester, wie aus einer Repertoirevorstellung etwas Besonderes wird. Schon die Ouvertüre kommt mit einem enormen Feuer. Der 34-jährige Veroneser packt in den Tempi zu, gestaltet Übergänge klug und geschmackvoll, kann die Zügel aber auch locker lassen. Dass für diese Wirkung unter Umständen ein Weniger an äußerem Einsatz reicht, wird sich mit den Jahren einstellen. Die „Macht des Schicksals“ ereilt die Bayerische Staatsoper seit zwei Intendanten-Ären bei Verdi-Inszenierungen immer wieder. Eine gelungene will einem nicht in den Sinn kommen. Zeit, dass Serge Dorny mit diesem „Fluch“ bricht!

Nächste Vorstellung

am 2. Oktober; Karten: 089/21 85 19 20, tickets@staatsoper.de.

Artikel 3 von 8