Tierisch gut

von Redaktion

Tag zwei im neuen Volkstheater mit „Unser Fleisch, unser Blut“

VON ULRIKE FRICK

Auf gute Nachbarschaft! „Unser Fleisch, unser Blut“ ist die zweite Eröffnungspremiere am Münchner Volkstheater. Jessica Glauses Uraufführung setzt sich kritisch mit Fleischindustrie und Fleischkonsum auseinander. Schließlich atmet und pulsiert das Volkstheater nun direkt gegenüber des Münchner Schlacht- und Viehhofs, wo täglich in Massen Tiere sterben. Ein Kontrast, der die Kunst in besonderer Weise herausfordert.

Glause hat kürzlich an den Kammerspielen „Bayerische Suffragetten“ erarbeitet, eine geistreiche Auseinandersetzung mit der Frauenbewegung in München. Im umsichtig recherchierten „Unser Fleisch, unser Blut“ geht sie erneut sehr überlegt und klug vor, propagiert beispielsweise keineswegs den Fleischverzicht. Und auch wenn ihr Blick in die Zukunft ernüchternd bis düster ausfällt, bemüht sich die Regisseurin und Autorin spürbar um eine Ausgewogenheit der Stimmen: vom Metzger über den Koch und die Tierärztin bis zur Bio-Bäuerin kommen alle gleichermaßen zu Wort.

Kontrastiert werden diese Monologpassagen durch die gleichwertig in die Inszenierung eingebundenen Tiere. Schwein, Pferd, Kuh, Ziege, aber auch Hund dürfen sich ebenfalls äußern in diesem komplexen und kunterbunten Kaleidoskop, das sich rund um eine gigantische Weißwursttorte auf der ansonsten nahezu leeren Bühne öffnet. Während einzelne Figuren sprechen, verhalten sich die übrigen Schauspieler mit ihren Masken so, wie man es von ängstlichen Tieren in einer Umgebung wie dem Schlachthof annehmen muss. Das allein aufgrund seiner Frische, Energie und feinsinnigen Detailgenauigkeit großartige Ensemble (Jakob Immervoll, Maral Keshavarz, Jonathan Müller, Anne Stein, Mara Widmann und Musiker Joe Masi) reißt einen sofort hinein ins gigantische Problemfeld Tiere-Essen. Unterbrochen werden die Texte durch schwungvoll arrangierte Songs, deren bittere Zeilen wie „Ich geh’ shoppen zu Lidl, mit’m Jutebeutel unterm Arm“ oder „Die Milch macht’s“ ein Mitwippen aber verbieten.

„Unser Fleisch, unser Blut“ ist ein weiterer Beleg für die überaus organische Kombination von Tradition und Moderne, von Zeitgeist und origineller, leicht zugänglicher Aufbereitung eines Themas, wie sie dem Volkstheater momentan perfekt gelingt.

Nächste Vorstellungen

heute, am 29., 31. Oktober; Telefon 089/523 46 55.

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