Ihr Sünderlein kommet

von Redaktion

INTERVIEW Thomas Spitzer über das Weihnachtsalbum der EAV, das nach 42 Jahren erscheint

Ein Hotel im Westen Münchens. Thomas Spitzer, Gründer, Gitarrist und Kreativschädel der Ersten Allgemeinen Verunsicherung, empfängt entspannt zum Interview. Der Österreicher, 1953 in Graz geboren, hat 2019 zusammen mit Sänger Klaus Eberhartinger die Band beerdigt. Doch gab es da die Weihnachtstour der EAV, 1979, also einige Jahre vor „Küss die Hand, schöne Frau“ oder „Ba-Ba-Banküberfall“. Und die Songs von damals hat Spitzer nun neu eingespielt; am Freitag erscheint „EAVliche Weihnachten – Ihr Sünderlein kommet“. Ein herrlich böses Album – und ein Geschenk, angekommen schlappe 42 Jahre später.

Als ich „EAVliche Weihnachten“ in Händen hielt, musste ich an „Blues Brothers“ denken. Im Film bringen Jake und Elwood ihre Band wieder zusammen. Das haben Sie jetzt mit den einstigen EAV-Mitstreitern auch getan. Außer Ihnen sind die Gründungsmitglieder Nino Holm, Eik Breit und Anders Stenmo zu hören…

(Lacht.) Eigentlich war es umgekehrt: Bevor die „Blues Brothers“ ins Kino kamen, haben wir die WeihnachtsShow gespielt. So wie Jake und Elwood im Film war damals die junge EAV unterwegs. Als ich im Kino saß, dachte ich: „Yes, des isses.“

Es hat 42 Jahre gedauert, bis es die EAV-Weihnachtsshow von 1979 nun auf Platte geschafft hat.

Ich wollte immer schon dieses Album machen, in einer kleinen Pause. Aber es ist sich nicht ausgegangen, mir sind „Banküberfälle“ und „Heiße Nächte“ dazwischengekommen. Erst 2010 habe ich in einem Studio in Berlin begonnen, die Musik aufzunehmen.

Wie hat EAV-Sänger Klaus Eberhartinger auf das Projekt reagiert?

Er war nicht so angetan, weil er 1979 nicht Sänger war. Das war damals Gert Steinbäcker (vom Trio STS; Anm. d. Red.). So tragisch die Corona-Zeit für die Musikszene war: Dadurch, dass keiner auf Tour war, habe ich junge und alte Kollegen erreicht und ihnen gesagt: „Hört’s eich des an. Wollt ihr eine Nummer singen?“

Für EAV-Fans fühlt sich das Erscheinen dieser Platte wie Weihnachten an…

Es gibt ein paar Spontis, die die Konzerte damals gesehen haben und heute noch am Leben sind, die sagen: Das sei die politisch unkorrekteste, aber lustigste Show der EAV gewesen. Auch mir hat diese Tour am meisten Spaß gemacht, obwohl wir sie in nur drei Wochen aus der Hüfte geschossen haben. Aber genau das Spontane hat in die Zeit gepasst.

Wie haben die Kollegen von damals auf Ihre Idee reagiert, das Material nun zu überarbeiten und als Album herauszubringen?

Die waren sofort dabei. Außerdem habe ich Sänger aus drei Generationen angefragt: vom Ostbahn Kurti (Bühnenfigur des Sängers Willi Resetarits; Anm. d. Red.), an dem ja a schon bald der 80er knabbert, bis zu den jungen Kollegen von Turbobier (2014 gegründete Punkrock-Band aus Wien-Simmering; Anm. d. Red.).

Ist das Album Ihr persönliches Weihnachtswunder?

Für mich waren das die zwei Wochen im Studio, als ich die jungen Musiker kennengelernt habe. Das war erfrischend, denn die Jungen haben – egal, wie erfolgreich sie schon sind – ein anderes Feuer in sich. Die sind hungrig. Da habe ich mich zurückgesetzt gefühlt in die Anfangszeit der EAV, als man gewisse Dinge nicht aus pekuniären Dingen getan hat, sondern einfach, weil’s Spaß macht. Diese zwei Wochen im Mai, als wir aufgenommen haben, waren mein Weihnachtsgeschenk.

Verhält es sich mit der EAV wie mit Weihnachten: Kaum einer kennt die Ursprünge? Bei der EAV denkt man schnell an den „Märchenprinz“ – darüber vergessen viele, dass es eigentlich eine zutiefst politische Band war…

Es hat mich lange gestört, dass wir nur auf fünf, sechs, sieben Hits reduziert wurden. Natürlich tut’s weh, wenn man als „Blödelcombo aus Österreich“ gilt, weil es im Gesamtwerk der EAV ja sehr, sehr viele andere Nummern gibt. Als mein Sohn auf die Welt kam, wurde ich in einem Interview gefragt, ob ich ihm je etwas von der EAV vorspielen werde. Meine Antwort: nichts, was im Radio läuft. Die wirklich guten Songs sind die ungespielten. Aber ich will nicht jammern, ich habe die Sachen ja teilweise mitverbrochen.

Wie viele Schätze in Ihrem Archiv harren noch der Entdeckung?

Ich habe sicherlich zuhause noch für fünf, sechs Alben Zeug herumliegen. Da viele Dinge nicht für die EAV tauglich waren, hat sich manches angesammelt.

Was heißt „nicht tauglich für die EAV“?

Weil die Lieder ernsteren oder empfindsameren Inhalts sind. Das ist bei der Musikindustrie oft sehr ungefragt. Für die EAV gilt: Kritisch? Ja. Politisch? Ja. Lustig? Sowieso. Aber vieles, was ich geschrieben habe, musste ich bei anderen Interpreten unterbringen, weil es nicht ins Korsett der EAV gepasst hat.

Bedauern Sie, dass Sie die Band 2019 aufgelöst haben? Juckt es Sie nicht in den Fingern, zu aktuellen politischen Debatten auf der Bühne Stellung zu beziehen?

Unsere letzten drei Alben waren so politisch wie die EAV davor eigentlich nie war.

Stimmt. Aber die Zahl der Themen, über die man sich aufregen kann, ist seither größer geworden.

Die werde ich woanders kommentieren. Der Klaus war schon 70, ich werde bald 70 – was wir uns ersparen wollten: im Bierzelt am Rollator „Märchenprinz“ spielen zu müssen. Das wäre das Schlimmste. Deshalb haben wir gesagt: Wir treten in Würde ab. Außer, das Finanzamt steht eines Tages vor der Tür. (Lacht.)

Also gibt’s doch die Chance auf den Rücktritt vom Rücktritt?

(Sehr bestimmt.) Naa. Aufzuhören war unser beiderseitiger Wunsch.

Fehlt es Ihnen nicht, live auf der Bühne die Gitarre zu würgen?

Jetzt ist die Zeit, in der ich mit verschiedenen Interpreten die Dinge machen kann, die ich mit der EAV nicht machen konnte. Am 13. und 14. November darf ich zum Beispiel als Methusalem bei Turbobier im Wiener Volkstheater mitspielen.

Klaus Eberhartinger hat in einem Interview mit meinem Kollegen vor ein paar Jahren gesagt: „Der Spitzer ist ein verschrobenes, kreatives Genie.“ Erkennen Sie sich darin wieder?

Verschroben, kreativ – teilweise. Mein Problem ist, dass ich von vielem ein bissl was kann. Ich kann ein bissl zeichnen, ein bissl texten und ein bissl komponieren. Wer sich aber zu viel zerspargelt, kann nichts besonders gut. Auf der anderen Seite ist halt das mein Leben. Eindimensionalität würde mir keinen Spaß machen. Überall meinen Senf dazuzugeben gefällt mir.

Und das Genie, von dem Eberhartinger gesprochen hat?

Weiß i net. Ist aber nett vom Eberhartinger. Ich könnte mir im Nachhinein vorstellen, zehn oder zwanzig Jahre früher mit der EAV aufgehört zu haben, um mich nur auf die Malerei zu konzentrieren. Aber es ist so, wie es ist – und es war ein total buntes Leben, das ich nicht missen möchte.

Wenn Sie auf dieses Leben blicken – gibt es etwas, worauf Sie besonders stolz sind?

Stolz bin ich auf meine beiden Kinder, meine 42-jährige Tochter und meinen zweieinhalbjährigen Sohn. Die beiden sind das Gelungenste in meinem Leben.

Das Gespräch führte Michael Schleicher.

Erste Allgemeine Verunsicherung:

„EAVliche Weihnachten – Ihr Sünderlein kommet“ (Universal).

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