Wenn die Nacht am tiefsten…

von Redaktion

Das Deutsche Theater bringt „Frankenstein“ mit Thomas Borchert heraus

Kontrastprogramm für Musicalfans ist im Deutschen Theater geboten. Denn während im großen Haus weiterhin der „Schuh des Manitu“ für gute Laune sorgt, feiert morgen im intimen Silbersaal mit „Frankenstein“ zusätzlich ein Klassiker des gepflegten Grusels seine Premiere. Zugpferd ist neben dem Theaterakademie-Absolventen Peter Lewys Preston in der Titelpartie vor allem Publikumsliebling Thomas Borchert, der in die Rolle des Monsters schlüpft. Gerade ihm sind die Abgründe des Horrors alles andere als fremd, verkörperte er auf der Musical-Bühne doch bereits zahlreiche Anti-Helden, etwa in „Dracula“, „Jekyll & Hyde“ und „Phantom der Oper“. Nicht zu vergessen: seine Paraderolle als Graf von Krolock im „Tanz der Vampire“, in der er einst auch an der Schwanthalerstraße brillierte.

Von Typen-Casting will er in diesem Fall aber dennoch nur ungern sprechen. „Ich habe befürchtet, dass diese Frage wieder kommt. Es ist für mich ehrlich gesagt selber spannend, dass ich zu 70 Prozent eher für die dunklen, zerrissenen Charaktere angefragt werde. Aber wie schon mein erster Schauspiellehrer zu mir sagte: Sei froh, wenn du nicht immer die jungen Helden oder Liebhaber spielen musst. Das sind letzten Endes meist die langweiligeren Rollen.“

Anders als diese heroischen Strahlemänner lassen sich für Borchert nämlich die großen Horror-Ikonen nur schwer in ein klares Schwarz-Weiß-Muster pressen. „Wenn das gut geschrieben ist, hat es immer Tiefe. Jeder Mensch besteht aus unterschiedlichen Facetten. Und auch bei diesen Figuren gibt es sehr wohl Gründe, warum sie sich so verhalten, wie sie sich verhalten. Danach zu suchen, macht die Sache unglaublich spannend.“ Anders wäre Mary Shelleys berühmter Roman aus dem Jahr 1818 wohl nicht zu einem Klassiker geworden, der im Lauf der Jahrzehnte immer wieder in unterschiedlichen Genres neu interpretiert wurde: von der legendären Verfilmung mit Boris Karloff über die ähnlich kultige Parodie von Mel Brooks bis zur Opernbühne.

Die neue Musical-Version geht nun auf eine englischsprachige Schauspielfassung zurück, mit der die Truppe von Regisseur Paul Stebbings schon die halbe Welt bereiste und den Mythos Frankenstein dabei unter anderem bis nach China getragen hat. Eine auf vier Personen gekürzte Vorlage, die mit ihrer typisch britischen Mischung aus komischen und tragischen Momenten ebenfalls den Komponisten Christian Auer begeisterte, der das erprobte Grundgerüst der Stebbings-Adaption mit einer Reihe neu geschriebener Songs auffüllte. Er hatte Borchert bereits als Titelheld seines „Luther“-Musicals besetzt und freut sich sehr über die erneute Zusammenarbeit. Auf die Frage, wo sich „Frankenstein“ im Vergleich zur letzten gemeinsamen Produktion musikalisch verorten lässt, hat Auer mehrere Antworten. „Der Stil ist schon eher rockig. Von dort kommen Thomas und ich, und da fühlen wir uns wohl. Wobei ich trotzdem immer noch Bühnenmusiker bin und mich auf Szenen einlassen kann. Wir haben im Stück viele leichte, komische Momente. Aber eben auch das Blitzen und Donnern, wenn das Monster erschaffen wird. Das ist per se schon Musik und hat mich sehr an diese schweren Led-Zeppelin-Grooves erinnert.“ In jedem Fall also eine interessante Ergänzung zum Wildwest-Spektakel nebenan. TOBIAS HELL

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