Laser, KI und stinknormaler Alltag

von Redaktion

Werke von Philip Gröning in der Akademie der Schönen Künste

VON ULRIKE FRICK

Unbekanntes aufzeigen. Sehgewohnheiten brechen. Raum, Zeit und Strukturen verändern. Regisseur und Medienkünstler Philip Gröning hat mit seinen vielfach preisgekrönten Produktionen wie „Die große Stille“, „Die Frau des Polizisten“ oder „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ vollkommen neue Wege der filmischen Darstellung beschritten. Aber das ist Gröning nicht genug. Neben Fotografie, Skulptur und Zeichnung beschäftigt er sich mit den Möglichkeiten, Künstliche Intelligenz (KI) in seine Kunst zu integrieren.

Zu sehen sind in der Ausstellung „Bildprozesse“ in der Akademie der Schönen Künste zwei verschiedene Arbeitsphasen von Grönings Schaffen. Da gibt es Werke eines 2011 begonnenen Motivzyklus, für den der Künstler mit Licht arbeitet und es quasi als Zeichenstift in der Nacht benutzt. So entstanden beispielsweise Aufnahmen von nächtlichen Schweizer Berghängen. Die dort sanft in der Finsternis leuchtenden Fenster einiger Hütten verbindet Gröning mit einem Laserpointer und lässt daraus etwas Neues entstehen. Auf dem Dampfersteg in Ambach am Starnberger See verlässt er sich sogar vollends auf Laser oder Taschenlampenlicht und erzeugt durch veränderte Belichtungszeiten auf dem schwarzen See magisch anmutende Punkte. Die Realität löst sich auf, und man beginnt, die bekannten Formen und Gestalten ganz anders wahrzunehmen.

In einer zweiten Schaffensphase befasste sich Gröning mit der Kombination von Kunst und Computer. Sein mit Rolf Mütze von LAVAlabs gemeinsam erarbeitetes „Oktoberfestprojekt“ war bereits im Herbst 2020 parallel zur nicht stattfindenden Wiesn in der Villa Stuck zu sehen. Eine logische Weiterentwicklung dazu findet sich nun in den Räumen der Akademie in der Münchner Residenz. Aus Massen von Fotos aus allen Social-Media-Kanälen hat Gröning die KI heraussuchen lassen, was vom Oktoberfest übrig bleibt, wenn man ausschließlich die Ortskonstanten der Aufnahmen heranzieht: ruinenhafte Bilderwolken, die in ihren Umrissen eine Art gespenstischen Nachhall des Zeltinneren abbilden, ganz ohne Menschen. Denn  die (da sie sich ja  bewegen und auf jeder Aufnahme anders darstellen) rechnet die Künstliche Intelligenz kurzerhand raus.

Das Verfahren hat Gröning auch andernorts angewandt, etwa beim Petersdom in Rom. Was bleibt von den Milliarden an Selfies der Touristen aus aller Welt übrig, wenn man die KI ranlässt? Enorm viel Kuppel, Hochaltar und Pietà, überraschend wenig Mosaikboden oder Eingangsportal. Die Exponate in „Bildprozesse“ sind eine Konsequenz aus Grönings filmischem Schaffen. Auch sie verändern bislang geläufige Situationen und Bilder durch Fotografie, KI oder Virtual Reality und lassen so aus Vertrautem etwas Neues entstehen.

Bis 22. Dezember,

Mo.-Fr. 11-16 Uhr; 2Gplus beachten; www.badsk.de.

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