Erstmals dirigierte Sir Simon Rattle, der künftige Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters, in der Münchner Isarphilharmonie. Auf dem Programm stand Gustav Mahlers groß besetzte neunte Symphonie. Hier beschreibt Rattle seine Eindrücke. Die Fragen durften nicht direkt gestellt werden, sondern nur über die Pressestelle des Orchesters.
Was verträgt die Isarphilharmonie akustisch, was nicht?
Während der Probe habe ich viele akustische Eindrücke auf der Bühne bekommen. Ich bin aber auch mehrere Male im Saal gewesen, um von dort aus zuzuhören. Das sind unterschiedliche Perspektiven. Wenn es auf der Bühne ziemlich laut und sehr hell klingt, ist es beruhigend, dass es im Publikumsbereich viel wärmer tönt. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir einen – zugegebenermaßen temporären – Ort haben, der so gut ist, an dem man große Orchestermusik spielen kann. In der Gasteig-Philharmonie konnte man sich auf der Bühne nicht gut hören, es war oft schwer, mit den Kolleginnen und Kollegen Kontakt zu haben.
Wie würden Sie die Akustik im Vergleich zur Elbphilharmonie beschreiben?
Beide sind nicht zu vergleichen. Die Elbphilharmonie ist wie eine hochauflösende Fotografie: klar und analytisch. Aber wie überall lernen Musikerinnen und Musiker, sich in einem Saal zurechtzufinden. Die Isarphilharmonie hat mehr Wärme. Ich mag die Elbphilharmonie sehr, aber es ist eine Herausforderung, dort zu spielen. Man hört jeden Makel.
Sind Sie verwundert, wie schnell der städtische Bau fertig wurde und wie lange dagegen der Freistaat Bayern für seinen Saal, das Konzerthaus im Werksviertel, braucht?
Ich war absolut erstaunt, wie schnell das ging! Meine Gratulation! Das klappt gut bei einem Provisorium, so wie das temporäre Contemporary Los Angeles oder wie der Ersatzsaal der Tonhalle in Zürich. Aber all das wäre anders, wenn man Erwartungen an einen vollwertigen Konzertsaal des 21. Jahrhunderts stellen würde. Der Traum von einem Ort, ein Leuchtturmprojekt für Musik und Kunst, mit wichtigen pädagogischen Komponenten, mit Musikvermittlungsangeboten, mit digitalen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts, all das wurde im Interim nicht realisiert. Aber was die Isarphilharmonie tatsächlich ist: ein wirklich gut funktionierendes Auditorium.
Spätestens Mitte der 2030er-Jahre verfügt München mit Konzerthaus, renovierter Gasteig-Philharmonie, Isarphilharmonie, Herkulessaal und Prinzregententheater pro Abend über rund 8000 Plätze im Bereich der klassischen Musik. Ist dies eine Überkapazität?
Überkapazität in einer Stadt wie München? Es gibt so einen Hunger nach klassischer Musik hier! Ich denke, es ist keine Überkapazität! Die Stadt wächst, und es ziehen so viele Menschen nach München, die auch wir anlocken wollen. Schauen Sie nach Wien, da gibt es viel mehr Angebote, und es ist immer voll. Natürlich ziehen solche Orte auch zusätzliches Publikum an. In Hamburg können sie gar nicht genug Veranstaltungen machen in der Elbphilharmonie. Außerdem ist es faszinierend zu sehen, wie sich eine Stadt durch ein derartiges Projekt verändert.