Party ohne Gäste

von Redaktion

PREMIERENKRITIK „Willkommen bei den Hartmanns“ in Münchens Komödie

VON KATRIN BASARAN

„Danke für Ihren Mut!“, erklingt die Stimme von Jochen Busse vom Band, bevor sich in der Komödie im Bayerischen Hof der Vorhang hebt. Danke dafür, dass sich Menschen in die von Corona-Maßnahmen gebeutelten Theater wagen, die doch erwiesenermaßen kein Ansteckungsrisiko bergen, so Busse: „Bei uns sind Sie sicherer als zuhause!“

Es wird ein Abend voller Botschaften, mit Paukenschlägen – und nicht alle sind stückbedingt. Gleich eingangs dieser Moment: Da tänzelt das achtköpfige Ensemble fröhlich ins Publikum winkend über die Bühne, unter die Armbeugen das Banner „Willkommen bei den Hartmanns“ geklemmt. Ihr Lachen erreicht die Augen kaum, denn die sind prüfend, ja suchend, in den Saal gerichtet: Wie viele Zuschauer sind wohl zur Premiere gekommen? Es muss ein bitterer Anblick sein. Die rotsamtenen Stühle sind spärlich besetzt. Gerade ein Viertel der Tickets, das sind 143, dürfen aktuell verkauft werden. Etliche Gäste, ist zu hören, hätten kurzfristig ihre Karten storniert. Zudem gilt ja nicht nur 2 G-Plus (geimpft oder genesen und aktueller Schnelltest), sondern auch die Pflicht, Mund und Nase mit FFP2-Maske zu bedecken.

Unter diesen Umständen hat es der sprichwörtliche Funke nicht leicht, der zwischen Darstellern und Publikum überspringen soll – trotz des von Peter M. Preissler liebevoll inszenierten Boulevardstücks „Willkommen bei den Hartmanns“ nach dem gleichnamigen Kinohit aus dem Jahr 2016 von Simon Verhoeven: Die pensionierte Lehrerin Angelika, überzeugend beharrlich und dickköpfig dargestellt von TV-Star Saskia Vester, ist gelangweilt vom Botox-süchtigen Ehemann und Chirurgen Richard (wunderbar eitel gespielt von Ralf Komorr) und dem großen, leeren Haus, aus dem die beiden Kinder längst ausgezogen sind. Bevor sie sich endgültig in einer weinseligen Depression verliert, beschließt sie, den vor Boko Haram geflüchteten nigerianischen Asylbewerber Diallo (weise und eindringlich: Derek Nowak) aufzunehmen. Ihre Familie reagiert bis auf Tochter Sophie (Julia Gröbl) mindestens skeptisch. Die Nachbarn fühlen sich gar bedroht. Angelikas Freundin, Ex-Hippie Heike (überzeugend durchgeknallt: Esther Kuhn) findet die Idee hingegen super, schmeißt eine wilde Willkommensparty samt Drogen, Zebra und Polizeieinsatz. Der Auftakt zu allerlei Chaos, das nicht zuletzt Diallos Asylantrag bedroht. Das Ganze wird von Jörg-Tim Wilhelm, seit 2012 Mitglied der Münchener Freiheit, an Schlagzeug und Gitarre begleitet und akzentuiert.

Manchmal schafft es der Funke aber, wenn nicht zu leuchten, dann doch zu glimmen: Dazu tragen viele Kleinigkeiten bei, wie die direkten Ansprachen der Darsteller ans Publikum oder ein Musikvideo der Hip-Hop-Band „Basti und die Befruchtungszwerge“ von Angelikas pubertierendem Enkel. Nicht zuletzt punkten witzige Dialoge und Situationen, etwa wenn Richard die Ehefrau zu überzeugen sucht („Geli, du kannst nicht die ganze Welt retten“) und sie knochentrocken kontert: „Was ich dir schon immer mal sagen wollte: Du schnarchst!“ Da wird hörbar gelacht – was die Darsteller merklich motiviert. Das oftmals stille Lächeln sehen sie ja nicht.

Den herzlichen Applaus am Ende hat sich das Ensemble hochverdient. Man wünscht ihm mehr mutige Zuschauer. Und den Theatern eine Pandemie-Politik, die Kultur nicht länger als gesundheitliche Bedrohung stigmatisiert.

Weitere Vorstellungen

bis 9. Januar, derzeit gilt 2G-plus; Karten und Termine unter www.komoedie-muenchen.de.

Einige Gäste gaben kurzfristig ihre Karten zurück

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