Ehekrise? Nur auf der Bühne

von Redaktion

Das Paar May/Schadewald über „Der Sittich“

VON ULRIKE FRICK

Es ist kaum zu fassen: Wenn man das Ehepaar May/Schadewald während des Interviews nebeneinander auf dem Sofa sitzen sieht, mag man nicht glauben, dass die beiden ihrer – wirklich überzeugenden – Aussagen nach großen Spaß haben, eine langsam, aber sicher eskalierende Ehekrise auf die Bühne zu zaubern. So liebevoll und zuvorkommend gehen sie miteinander um, so aufmerksam und unauffällig umsorgend, dass Gedanken an jeden Krach ganz weit weg erscheinen.

Doch was Regisseur Bernd Schadewald für seine Frau Michaela May und deren Bühnenpartner Krystian Martinek auf die Bretter der Komödie im Bayerischen Hof stellt, hat nur wenig mit Liebe und Herzenswärme zu tun: Im Zweipersonenstück „Der Sittich“ von Audrey Schebat demontiert ein namenloses Paar sich und die Beziehung kurzerhand selbst. Während es auf Gäste wartet, steht plötzlich ihre über 30-jährige, in Routine und Zynismen abgeglittene Ehe auf dem Prüfstand. „Innerhalb eines Abends verändert sich das gesamte Verhältnis dieser zwei Menschen zueinander“, sagt May.

Es ist eine in die Jahre gekommene, entliebte Verbindung. Und durch einen nichtigen Anlass gerät alles ins Trudeln. „Das Stück beginnt mit einem ungeheuer klugen Wortwitz, der sich mehr und mehr steigert“, erklärt Schadewald. „Durch die allmähliche Verschiebung der Machtverhältnisse endet es, wie man es für eine Komödie nicht unbedingt vermuten würde.“ „Zumindest nicht für eine im Bayerischen Hof“, ergänzt May lächelnd.

Tatsächlich lässt Schebats in Frankreich 2017 uraufgeführter und seitdem extrem erfolgreich gespielter Text mal an Henrik Ibsens „Nora“, mal an Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ oder Yasmina Rezas „Der Gott des Gemetzels“ denken – und weniger an klassische Boulevardstücke, die man vom Haus am Münchner Promenadeplatz gemeinhin kennt. Doch auch im Boulevard hat sich in den vergangenen Jahren etwas geändert. Es gibt viel Neues, und Komik bedeutet längst nicht mehr Schenkelklopfer-Humor oder stetes Klapp-Klapp der Türen. Französische Autoren wie Matthieu Delaporte oder Alexandre de La Patellière haben es vorgemacht, auch deutschsprachige wie Lutz Hübner, Sarah Nemitz oder Daniel Glattauer verhelfen dem Genre zu frischer Blüte.

May und Schadewald haben bereits mehrere Stücke gemeinsam fürs Theater erarbeitet. Auch die Suche nach einem geeigneten Text erledigen sie am liebsten zusammen. Was manchmal viel Arbeit bedeuten kann, ehe sie fündig werden – und sich einigen. „Viele Komödien haben eine gute Exposition und halten sich bis zum zweiten Akt, fallen im dritten aber extrem ab. Und am Ende ist die Luft total raus“, fasst May zusammen. Nach dem Lesen von „Der Sittich“ waren beide aber schnell überzeugt und entschieden sich, den Text als deutsche Erstaufführung herauszubringen. „Das Stück ist sehr raffiniert gebaut und konversationsstark, sodass man bis zum Ende den Atem anhält und wie im Krimi unbedingt wissen will, wie es aufgelöst wird. Obwohl auf der Bühne gar nicht so viel passiert“, sagt die Schauspielerin.

Sie und Martinek sind mit dieser Komödie voller Widerhaken bereits seit November auf Tour – immer fest im Klammergriff von Covid-19 und den damit verbundenen Einschränkungen. „Vor allem sind wir glücklich, überhaupt spielen zu dürfen, egal vor wie vielen Personen“, beteuert May. Zur Premiere in Rheinland-Pfalz traten sie vor vollem Haus auf – doch nach wenigen Vorstellungen war nur noch der halb gefüllte Saal erlaubt. „Hier in Bayern ist es nun am schlimmsten, da dürfen nur 25 Prozent der üblichen Zuschauerzahl hinein. Noch dazu mit Test. Das merkt man schon“, resümiert May. „Aber zum Glück spürt man die Reaktionen der Zuschauer auch, wenn es nur wenige Menschen sind.“

Premiere

ist morgen, 19.30 Uhr; Telefon 089/29 16 16 33.

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