Seit dem Bezug der Isarphilharmonie erleben die Münchner Philharmoniker, die es seit 128 Jahren gibt, einen neuen Frühling: „Neo“ heißt die Devise im Festivalmonat Januar, in dem der alte Klangkörper Neugierde und Aufbruchstimmung zelebriert (wir berichteten). Den Auftakt der Reihe ambitionierter Programme im neuen Jahr machte der finnische Dirigent John Storgårds mit seinem kontrastreichen, zwischen nordischer Spätromantik und orientalisch getünchter Avantgarde changierenden Gastspiel.
Die guten Vorsätze symbolisiert Carl Nielsens nordlichternde „Helios“-Ouvertüre, die der dänische Rundfunk traditionell in jeder Silvesternacht anstimmt. Danach folgt das erste von drei brandneuen Auftragswerken, welche die Philharmoniker im Festivalmonat „Neo“ uraufführen: Fazil Says Konzert für Klavier zu vier Händen und Orchester versprüht die für den türkischen Pianisten und Komponisten typische Melange aus Ost und West: Rätselhafte Orientalismen bestimmen das einleitende „Adagio misterioso“, bevor farbenreiche Harmonien und rhapsodische Rhythmen eine atmosphärische Klanglandschaft zwischen Jazz und Avantgarde entfalten.
Äußerst perkussiv ist der doppelte Klavierpart angelegt, den Lucas und Arthur Jussen uraufführen. Die Brüder sind so etwas wie die Posterboys der Klavierzunft und gehen äußerst körperbetont ans Werk, das nicht nur virtuosen Einsatz an den Tasten, sondern auch in den Innereien des Instruments erfordert. Der Werktitel „Anka Kuşu“ bedeutet auf Türkisch „Phönix“ – und symbolisiert damit den Ur-Mythos jeden Neubeginns, der auch für unsere krisengeschüttelte Zeit ein Quäntchen Hoffnung verspricht: Was in Trümmern liegt, erhebt sich in umso schönerem Glanz aus der Asche.
Nach der Pause folgen zwei Orchesterwerke der finnischen Identifikationsfigur Jean Sibelius – den sein Landsmann Storgårds kennt wie seine Westentasche. Entsprechend gekonnt führt er das Münchner Orchester in der wunderbar trocken-transparenten Akustik der Isarphilharmonie durch die Partituren der kontrastiv-komplementären Symphonien Nr. 6 und Nr. 7 – von denen die erste düster bis leidenschaftlich klingt, die zweite freudige Vitalität versprüht.