Vor vier Jahrzehnten wüteten hierzulande keine Pandemiewellen, sondern es war die Neue Deutsche Welle (NDW), die übers Land schwappte. Lieder wie „Eisbär“, „Der Kommissar“, „Carbonara“, „Sternenhimmel“, „Da da da“, „99 Luftballons“, „Ich will Spaß“ und „Hurra, hurra, die Schule brennt!“ sind bis heute unvergessen. Zweifellos einer der größten NDW-Hits ist „Skandal im Sperrbezirk“ der Münchner Rock-’n’-Roll-Band Spider Murphy Gang. Heute vor 40 Jahren kletterte der Titel auf Platz eins der offiziellen Deutschen Charts.
Noch heute können sich viele Menschen im deutschsprachigen Raum kaum dem Sog des Songs entziehen, wenn der Text losgeht: „In München steht ein Hofbräuhaus, doch Freudenhäuser müssen raus, damit in dieser schönen Stadt das Laster keine Chance hat.“ Und weiter: „Doch jeder ist gut informiert, weil Rosi täglich inseriert.“ Und später: „Ja, Rosi hat ein Telefon, auch ich hab ihre Nummer schon. (…) Und draußen im Hotel L’Amour, langweilen sich die Damen nur, weil jeder, den die Sehnsucht quält, ganz einfach Rosis Nummer wählt.“ Kaum eine Telefonnummer ist bis heute in Deutschland, Österreich und der Schweiz so bekannt wie die angebliche von Rosi: „Unter zwounddreißig, sechzehn, acht herrscht Konjunktur die ganze Nacht.“
32 16 8: Die Telefonnummer der Sehnsucht oder Sexlust – mit der „8“ als Reim auf „Nacht“ – wählten manche Männer damals tatsächlich. Damals, also 1981/82, als der „Skandal im Sperrbezirk“ um die Prostituierte Rosi die Spider Murphy Gang berühmt machte – und berüchtigt. Günther Sigl, der heute seinen 75. Geburtstag feiert, und Barny Murphy (bürgerlich: Gerhard Gmell) hatten die Gruppe 1977 gegründet. Wie damals üblich begann die Band, die sich nach dem Saxofonisten Spider Murphy in Elvis Presleys „Jailhouse Rock“ von 1957 benannte, mit englischen Texten. Später stieg sie auf Bairisch um und startete damit eine eigene Stilrichtung.
Auf ihrer Webseite erzählt die Band die Geschehnisse von vor 40 Jahren wie folgt: Auch wenn Mundart-Rocker wie Wolfgang Niedeckens BAP („Verdamp lang her“, 1981) oder Zeltinger zwar bundesweit populär geworden waren, habe man lieber ein Lied aus der aktuellen LP auskoppeln wollen, bei dem „auch Nordlichter den Text verstehen“, und deshalb den Skandal um Rosi genommen. „Pech war nur, dass die Single nirgends lief“, erinnert sich Günther Sigl. Beim Bayerischen Rundfunk war die heiße Nummer sogar total tabu. Denn da geht’s – unerhört! – um „Nutten“, die sich vor den Toren der Weltstadt mit Herz frustriert die Füße platt stehen, während ihre beliebte Kollegin Rosi ungeniert im von der Sitte überwachten „Sperrbezirk“ Konjunktur hat.
In die deutschen Charts stieg der „Skandal im Sperrbezirk“ dennoch am 7. Dezember 1981 ein, doch es dauerte neun Wochen, bis Platz eins erklommen war. Bis Anfang April stand der Song dann acht Wochen auf der Spitzenposition. Das zugehörige Album „Dolce Vita“, auf dem sich auch der Hit „Schickeria“ befindet, erreichte Mitte März des Jahres Platz eins – und blieb dort fast zwei Monate. GREGOR THOLL