Im Schmerz

von Redaktion

Arte zeigt Amy J. Bergs bemerkenswerten Film über Janis Joplin

„Sie fühlte ihn, den Blues. Sie konnte den Schmerz von jedermann fühlen. Das ist einer der Gründe, warum sie Heroin nahm, um nicht mit jedermanns Leben konfrontiert zu sein.“ Es sind Zitate wie dieses, die Amy J. Bergs Dokumentarfilm über Janis Joplin besonders machen. Die mehrfach ausgezeichnete Regisseurin hat die Aussage David Niehaus entlockt, dem Ex-Freund von Joplin. Beiläufig stellt die Produktion einen Zusammenhang her von sattsam Bekanntem – die Vorliebe der Musikerin für Bewusstseinerweiterndes, Betäubendes – und bislang gut Verborgenem.

Natürlich keimt zu diesem Zeitpunkt bereits der Verdacht, dass Joplins Empfindsamkeit zugleich ihre Superkraft war. Dass sich „Janis – Little Girl Blue“ nicht anmaßt, plakativ zu diagnostizieren, zu werten oder zu erklären, macht ihn zu einem der besten Musikfilme der jüngeren Zeit. Anhand von Briefen und O-Tönen zeichnet Berg vielmehr ein feines Bild der Hippie-Ikone, deren Leben und Sterben bereits grell ausgeleuchtet wurde. So hilft sie nachzuvollziehen, warum sich die 1943 in erstickend bürgerlichen Verhältnissen geborene Texanerin ihren Schmerz derart inbrünstig und kompromisslos von der Seele schrie und nach Anerkennung, Liebe und Freundschaft suchte. Der Film zeigt ein differenziertes Bild von Joplins Jugend als „Problemkind“. Geschlagen mit Übergewicht, struppigen Haaren und extremer Akne, interessierte sich die junge Janis für Bücher und zeichnete, was das Zeug hielt. Von ihren Mitschülern erfuhr sie dafür Ablehnung, die sie schroff zu kontern lernte. Sie suchte ihr Heil in der Flucht nach vorn, in einen extravaganten Kleidungs- und Lebensstil. Wie sehr sie es aber verletzte, am College zum „hässlichsten Mann auf dem Campus“ gewählt zu werden, ist nicht nur zu erahnen. Die tiefe Kränkung wird ebenso greifbar wie das Heil, das ihr die Musik und das befreite Leben schenkten, das sie weit weg von der Heimat in Kalifornien führen konnte. Dass „Janis – Little Girl Blue“ respektvoll auf Distanz bleibt, schafft Nähe, die aufrichtig anrührt. CHRISTOPH ULRICH

„Janis – Little Girl Blue“

läuft morgen um 21.55 Uhr bei Arte und ist bis 12. März in der Mediathek arte.tv.

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