Die Geister, die er rief

von Redaktion

NACHRUF Trauer um Ivan Reitman, der mit „Ghostbusters“ Kinogeschichte geschrieben hat

VON MICHAEL SCHLEICHER

Wer in den Achtzigern in Hollywood Komödien drehte, der muss sich gefühlt haben wie im Spieleparadies. Da gab es zig Möglichkeiten, sich auszutoben; da konnte in jedem Film auf Teufel komm’ raus etwas aufgebaut und wieder zerstört werden. Dazu gab es meist sehr coole Musik. Die Grenze zwischen Action und Klamauk war in dieser Zeit nicht fließend. Sie existierte nicht. Und wenn man gut war in dem, was man tat, wollten auch die Coolen mit einem spielen. Ivan Reitman, der jetzt im Alter von 75 Jahren gestorben ist, war gut. Sehr gut.

Sigourney Weaver etwa, seit „Alien“ (1979) bestens gebuchter Action-Star, setzte 1984 alles daran, um in Reitmans „Ghostbusters“ dabei zu sein. Unbedingt wollte sie der Kinowelt zeigen, dass sie auch lustig kann. Wenn Reitman im Regiestuhl saß, kitzelte er sogar aus Arnold Schwarzenegger den Witz heraus. Der bis dato als „Conan, der Barbar“ Gefragte drehte mit dem Kanadier einige komische Filme, an deren Beurteilung sich die Geister schieden – und es bis heute tun. Das aber spricht nicht unbedingt gegen Werke wie „Twins“ (1988) oder „Kindergarten Cop“ (1990). Reitman wusste, dass, um das große Publikum in einem Kinosaal zum Lachen zu bringen, „wirklich präzise und aufwendige Arbeit“ nötig ist. Er scheute nicht davor zurück.

Wer auf seine Familiengeschichte blickt, ahnt, dass der Mann womöglich gar nicht anders konnte, als lachend auf die Welt zu blicken, als „stets nach der Magie im Leben zu suchen“, wie es seine drei Kinder jetzt so anrührend in der Nachricht zum Tod ihres Vaters schreiben.

Ivan Reitman wurde 1946 in Komárno in der heutigen Slowakei geboren. Seine Eltern waren Juden; die Mutter hatte Auschwitz überlebt, der Vater kämpfte während des Kriegs als Partisan im Widerstand gegen die Deutschen und stieg nach 1945 zum größten Essigfabrikanten der Tschechoslowakei auf. Als Ende der Vierzigerjahre die Kommunisten gegen Unternehmer vorgingen, flohen die Reitmans. Ivan war vier, als er und seine Eltern versteckt auf einem Lastkahn nach Wien entkamen und von dort weiter zu Verwandten in Toronto reisten.

In Kanada entdeckte der Bursche rasch die Bühne für sich: Puppentheater, eine Folkband, die tatsächlich den Probenkeller auch für Konzerte verließ, und schließlich das Studium (Musik und Drama) in Hamilton. Noch auf der Uni realisierte er Kurzfilme, 1973 kurbelte er in etwas mehr als einer Woche mit Freunden vor und hinter der Kamera sowie für 12 000 kanadische Dollar „Cannibal Girls“ runter. Eine erste Visitenkarte.

Nach dem Studium arbeitete Reitman fürs Fernsehen. Dabei lernte er Dan Aykroyd kennen, der ihn mit John Belushi, Bill Murray und Gilda Radner bekannt machte.

Eine folgenreiche Begegnung – für die Beteiligten und die Filmgeschichte: Reitman machte Murray zum Star, dessen Potenzial er als einer der Ersten erkannte. Er gab ihm in „Babyspeck und Fleischklößchen“ (1979) seine erste Hauptrolle und besetzte ihn im anarchischen „Ich glaub’ mich knutscht ein Elch!“ (1981) gleich nochmals.

Dann war es für Ivan Reitman endlich an der Zeit, die Latte für Hollywood-Komödien ganz weit nach oben zu legen. Im Jahr 1984 realisierte er „Ghostbusters“, die Geschichte der Geisterjäger hatten sich Aykroyd und Harold Ramis ausgedacht. Beide spielten im Film mit, Murray kam für Belushi, der an seiner Heroinsucht gestorben war. „Ghostbusters“ kostete fast nichts (also 31 Millionen US-Dollar) und spielte weltweit mehr als 290 Millionen US-Dollar ein. Die Produktion zählt zu den zehn erfolgreichsten Kinoarbeiten aller Zeiten – und hat bis heute nichts von ihrem Charme, ihrem Witz, ihrer Spannung und Coolness verloren.

Im vergangenen Jahr hat Reitmans Sohn Jason mit „Ghostbusters: Legacy“ eine wunderbare Hommage und Fortschreibung des Werks in die Kinos gebracht. Sein Vater war als Produzent dabei. Es war seine letzte Arbeit – und sie dürfte ihn zum Lachen gebracht haben. So wie er uns, sein Publikum.

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