Wiederaufstieg einer Kaiserfamilie

von Redaktion

Stephan Malinowski erzählt in „Die Hohenzollern und die Nazis“ die Geschichte einer Kollaboration

VON DIRK WALTER

Ende 1918 schien die Zeit der Hohenzollern vorbei. Kaiser Wilhelm II. hatte abgedankt und war ins holländische Exil geflohen, mit ihm seine Familie und ein Häufchen Getreuer. Das Buch des in Edinburgh lehrenden Historikers Stephan Malinowski erzählt vom langsamen Wiederaufstieg einer Kaiserfamilie, die innerlich zerrissen war. Während Vater Wilhelm zeitlebens Gedanken einer Restauration des Kaiserreichs sponn, schwebten seinen Söhnen – allen voran dem einstigen Kronprinzen Wilhelm – die Etablierung des Faschismus in Deutschland vor. Materiell weich gepolstert mit unzähligen Landsitzen und Schlössern wie Cecilienhof bei Potsdam und Oels (Schlesien), die ihnen – schwerer Fehler der jungen Demokratie – überlassen blieben, wähnten sie sich im Guerillakampf und zogen in adeligen Clubs und Offiziersgesellschaften, bei der Fasanenjagd und auf Pferderennbahnen die Fäden.

Bisher hat die historische Forschung bei der Suche nach Gründen für das Scheitern von „Weimar“ vor allem Gegner wie preußische Rittergutsbesitzer, frustrierte Deutschnationale und natürlich die aufkommende NSDAP im Blick gehabt. Malinowski fügt dieser Analyse mit seiner überzeugenden Studie über die Hohenzollern und ihre adligen Helfershelfer einen bisher unterschätzten Baustein hinzu – wobei es ein Vorzug der Studie ist, dass er auch dem Image der Hohenzollern nach 1945 und ihrem Kampf um Reputation nachspürt.

Das Buch kommt nicht von ungefähr: Seit Jahren kämpfen die heutigen Hohenzollern, geführt von Georg Friedrich Prinz von Preußen, um die Rückgabe von nach 1945 enteignetem Besitz. Die Chance darauf besteht qua Gesetz aber nur, wenn die Hohenzollern nachweisen können, dass ihre Urahnen mit Ex-Kronprinz Wilhelm an der Spitze dem Nationalsozialismus nicht „erheblichen Vorschub“ geleistet haben.

Das mag eine unglückliche Gesetzesformulierung sein –schließlich ist der Grad der Unterstützung Hitlers nicht in Zahlen messbar. Dass die Hohenzollern indes teils halbherzige Befürworter, teils begeisterte Unterstützer Hitlers waren – aber in keinem Fall energische Gegner –, steht nach Malinowskis Buch endgültig fest.

Seit seiner Rückkehr aus dem holländischen Exil 1923 – unglücklicherweise durch Außenminister Stresemann eingefädelt – arbeitete Wilhelm von Preußen gegen die Demokratie. 1924 bis 1929 dominierten „Suchbewegungen“ (Malinowski), der Kronprinz bewegte sich in adligen Cliquen, ließ sich bei Aufmärschen des deutschnationalen Stahlhelms blicken. Eine Zeitlang schwebte ihm wohl der italienische Faschismus als Modell für Deutschland vor – seinen Schreibtisch schmückte er mit einem Mussolini-Porträt. Fortwährend näherte er sich aber Hitler an.

Der Höhepunkt war im Jahr 1932 erreicht, als sich der Ex-Kronprinz bei der anstehenden Reichspräsidentenwahl erst als Gegenkandidat Hindenburgs (eben auch nicht republikfreundlich, aber von der SPD unterstützt) ins Spiel brachte. Als er nicht durchkam, warb er offensiv für Hitler als Reichspräsidenten. In einem Brief an Reichswehrminister Groener setzte er sich wenig später gegen das Uniformverbot für SA und SS ein – ihre Mitglieder nannte er „wunderbares Menschenmaterial“. Dagegen sollten „mal eine Anzahl Kommunisten aufs Pflaster“ gelegt werden.

Diese Fakten, die Malinowski detailreich ausbreitet, sind zum Teil bekannt. Neu ist, dass er ein Augenmerk auf die Öffentlichkeitsarbeit des Ex-Kronprinzen und seiner Familie legt. „Ein stetig an seinem Image arbeitender Stab“ von Helfershelfern bediente mit Fotos, Klatschnachrichten und geschönten Biografien offenbar die Sehnsüchte von Millionen nach einer Rückkehr der vermeintlich „guten alten“ Kaiserzeit. Wilhelm von Preußen erscheint hier, so Malinowski, als „It-Boy“, also „als Figur, die dafür bekannt war, bekannt zu sein“. Das legt nahe, seine Unterstützung Hitlers eben nicht nur als belanglose Fußnote der Geschichte zu sehen, sondern als fundamentalen Beitrag beim Ringen der Nationalsozialisten um eine Massenbasis. Wenn sich schon der populäre Kaisersohn mit Hitler einließ, warum sollte man dann nicht NSDAP wählen?

Leisteten die Hohenzollern also dem Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub“, zumal sie sich auch nach 1933 als „Werbeträger des Dritten Reiches“ missbrauchen ließen? Der juristische Streit darüber wird weitergehen, der historische Streit indes ist weitgehend entschieden: Die Beweise, die der Historiker vorlegt, sind erdrückend. Nur wenige Adelsfamilien haben sich so bösartig gegen die Weimarer Republik gestellt wie die des Ex-Kaisers. Kein Vergleich auch mit den Wittelsbachern – das waren zwar auch keine Freunde der Demokratie, eine derart aktive und fanatische Gegnerschaft ist jedoch bei ihnen nicht nachweisbar.

Stephan Malinowski:

„Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration“. Propyläen, 752 Seiten; 35 Euro.

Seit Jahren kämpft die Adelsfamilie um einstige Güter

Der Historiker nennt Wilhelm einen „It-Boy“

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