Dass Valery Gergiev jemals wieder ans Pult der Münchner Philharmoniker zurückkehrt, scheint ausgeschlossen. Vor allem nach diesem Ultimatum, das Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter mit den Vertretern des Orchesters an den Chefdirigenten gestellt hat: Bis zu diesem Montag müsse sich Gergiev „eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg distanzieren, den Putin gegen die Ukraine und nun insbesondere auch gegen unsere Partnerstadt Kiew führt“, wie Reiter mitteilt. Sollte sich Gergiev (Foto: Marcus Schlaf) nicht klar positionieren, „kann er nicht länger Chefdirigent unserer Philharmoniker bleiben“. Das Vertragsverhältnis werde dann beendet.
Nach derzeitigem Stand ist es unwahrscheinlich, dass Gergiev dieses Ultimatum erfüllt. Mit einer Positionierung gegen den Krieg würde er sich gegen seinen einflussreichsten Gönner, den russischen Präsidenten Wladimir Putin, wenden. Gergiev würde dann wohl sein Imperium, das St. Petersburger Mariinsky-Theater mit seinen drei Spielstätten, verlieren. Im Zweifelsfall dürfte ihm dieses wichtiger sein als der Chefposten bei den Münchner Philharmonikern.
Ohnehin hat sich eine Verlängerung seines bis 2025 geltenden Vertrags so gut wie erledigt. Noch einmal haben am Freitag die Stadtrats-Grünen ihre Ablehnung bekräftigt. Die Stellung als Chefdirigent, so schreibt Fraktionschef Florian Roth, erfordere „in einem durchaus weit zu fassenden Rahmen auch politische Zuverlässigkeit und die Bereitschaft, freiheitlich-demokratische Werte und das friedliche Zusammenleben der Völker auf der Basis des Völkerrechts nicht offen zu missachten“. Bis spätestens nächstes Jahr müsste Gergievs Verlängerung beschlossen werden, ohne die Unterstützung der inzwischen größten Fraktion ist diese Makulatur.
Nicht nur die Grünen werfen Gergiev vor, dass er 2008 das Siegeskonzert nach dem Krieg Russlands gegen Georgien dirigiert, 2014 die Annexion der Krim begrüßt und 2016 im syrischen Palmyra ein Konzert aus Anlass der Eroberung der Stadt durch syrische und russische Truppen geleitet hat. Auch die aktuelle Zusammenarbeit des gebürtigen Moskauers mit den Wiener Philharmonikern ist geplatzt. Eigentlich hätte Gergiev das Orchester an diesem Wochenende in der New Yorker Carnegie Hall dirigieren sollen. Nun wurde Yannick Nézet-Séguin, Musikdirektor der dortigen Metropolitan Opera, als Ersatz verpflichtet.
Die Ersten, die von Gergiev abrückten, waren die Verantwortlichen der Mailänder Scala. Intendant Dominique Meyer und Bürgermeister Giuseppe Sala hatten von dem Dirigenten ebenfalls eine Distanzierung vom Angriffskrieg verlangt. Gergiev ist dort derzeit für die Neuproduktion von Tschaikowskys „Pique Dame“ unter Vertrag. Die Premiere am 23. Februar hatte der Vielbeschäftigte angeblich ohne jegliche Probe absolviert.