Was würde Sophie Scholl tun?

von Redaktion

Luna Wedler spielte die Widerstandskämpferin auf Instagram – und ist tief beeindruckt

VON KATRIN BASARAN

Es ist der 4. Mai 2021, als auf Instagram eine ungewöhnliche Zeitreise ins Jahr 1942 beginnt. Da steigt eine junge Frau in Ulm in den Zug nach München. Ein neuer Lebensabschnitt als Studentin der Philosophie und Biologie wartet dort auf sie. In ihrem Internet-Post blickt sie in Fahrtrichtung aus einem Fenster, das Gesicht scheint vor Aufregung zu leuchten, der Kragen ihres blauen Pünktchenkleides wedelt wie ihre dunklen, schulterlangen Haare im Wind – sie filmt sich selbst. Die junge Frau ist Sophie Scholl, gespielt von der Schweizer Schauspielerin Luna Wedler (22, „Biohackers“).

Nahezu täglich wird sie nun auf dem Social-Media-Kanal unter dem Profilnamen #ichbinsophiescholl quasi in Echtzeit aus ihrem fiktiven Alltag inmitten von Nazideutschland mit kleinen, ganz persönlichen Filmen, Fotos, Postings berichten. Zehn Monate lang bis zu ihrer Hinrichtung als Widerstandskämpferin der Weißen Rose am 22. Februar 1943 in Stadelheim. Einträge zu Wegbegleitern, historische Dokumente und Fakten gehen über dieses Datum noch hinaus, doch an diesem Samstag endet das bislang einmalige Instagram-Projekt von SWR und BR. Zeit für eine Rückschau.

„Es war ein riskantes Projekt“, bekennt Luna Wedler im Gespräch mit unserer Zeitung. Würden die Follower verstehen, worum es den Beteiligten geht? Die Videos, etwa von Hans Scholls Überraschungsparty für Sophie, die Fotos und Botschaften an Freunde, teils intime Gedanken über die Liebe, den Krieg, die Nazis richtig interpretieren? Die meisten taten dies, obwohl es durchaus kritische Stimmen gab und gibt, Sophie Scholl als Influencerin darzustellen, sei verwerflich. Vor allem gegen dieses Argument wehrt sich Luna Wedler: „Darum ging es uns nie, so darf man Sophie nicht sehen! Unser Ziel war es, ihr Leben möglichst authentisch zu erzählen, sie vor allem als nahbaren Menschen mit allen Träumen, Hoffnungen, Zweifeln, Wünschen darzustellen – aber eben mit Mitteln und Möglichkeiten der heutigen Technik.“

Noch zuletzt hatte die Seite knapp 750 000 Abonnenten, die übrigens nicht nur konsumierten, sondern aktiv an Sophies Leben teilnahmen, wie etliche Kommentare belegen. Offenbar spielte Wedler die Widerstandskämpferin derart überzeugend, dass mancher Post sich sogar direkt an ihre fiktive Sophie Scholl wandte: „Das hat mich sehr berührt. Manche Kommentare haben mich aber auch getroffen, da ging es um persönliche Abgrenzung – das war mitunter nicht leicht“, gibt sie zu.

Wie bereitet man sich auf so ein Projekt, so eine große Rolle vor? „Ein Geschenk waren für mich neben verschiedenen Biografien die mehr als 400 Briefe zwischen ihr und ihrem Verlobten Fritz Hartnagel – man kann ihre Gedanken lesen, ihre Träume, die beiden diskutierten viel“, so die 22-Jährige.

Sophie Scholls Naturbeschreibungen seien „unglaublich schön“ zu lesen, der Prozess von der jungen Frau zur mutigen Widerstandskämpferin, die ganz bewusst ihr Leben aufs Spiel setzt, sei wunderbar nachvollziehbar gewesen. „Ich erfuhr zudem viel vom festen Zusammenhalt der Familie Scholl, von neuen Freunden, dass sie auch mal in der Hitlerjugend beziehungsweise im Bund Deutscher Mädel war und dass sie an Gott glaubte. Ich hatte beim Lesen der Briefe oft Tränen in den Augen, habe aber auch gelacht“, erinnert sich die Schauspielerin, die – wenn es denn möglich gewesen wäre – zu gern mit Sophie Scholl befreundet gewesen wäre.

Entsprechend schwer fiel es der jungen Mimin, von ihrer Figur Abschied zu nehmen: „Die Vorstellung, dass es eben doch keine rein fiktive Geschichte ist, sondern in weiten Teilen genau so geschehen ist – es zerreißt mir das Herz.“ Der Tag der Hinrichtung, der 22. Februar, sei für sie sehr emotional: „Ich habe innegehalten und an die Geschwister Scholl und all die anderen gedacht. So etwas darf sich nie mehr wiederholen!“ Und sie fügt mit brüchiger Stimme hinzu: „Wir müssen ihr täglich dankbar sein für das, was sie geleistet hat.“

Der Instagram-Kanal

#ichbinsophiescholl soll für fünf Jahre archiviert werden und für Interessierte weiter erlebbar bleiben.

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