„Ich existiere nicht. Meine Arbeit existiert.“ So dogmatisch, wie es klingt, war es auch gemeint, wenn William Hurt über seine Profession sprach. Schauspielerei sei ein Handwerk, eine Arbeit – und die nehme er sehr ernst. Dass er mit dieser Arbeit berühmt geworden ist, das war für Hurt eine außerordentlich unangenehme Nebenwirkung, mit der er ein Leben lang hadern sollte. „Ich bin ein Schauspieler, gefangen im Körper eines Kinostars“, hat er einmal grimmig konstatiert und trotzig immer weiter nebenher Theater gespielt. Auch, um sich davon zu erholen, wie gering man in der Filmwelt gelegentlich seinen Beruf achtete.
„Man kann das nicht Schauspielerei nennen, wenn man nachts das Skript bekommt und am nächsten Tag um 9 Uhr dreht.“ Hurt hat Ansprüche an sich und an alle, mit denen er arbeitet – das bringt ihm schon als Anfänger den Ruf ein, sehr, sehr schwierig zu sein. Bei den Dreharbeiten zum Film „Heißblütig – Kaltblütig“, mit dem er 1981 seinen internationalen Durchbruch feiert, erklärt er am ersten Tag dem Regisseur Lawrence Kasdan erst einmal sechs Stunden lang, wie man diese Geschichte inszenieren muss. Hurt ist da gerade 30 und selbst neu in dem Geschäft.
Dennoch wird Hurt, der am 20. März 1950 in Washington, D.C. zur Welt kommt, gebucht und hat in den Achtzigerjahren einen Erfolg nach dem anderen, denn er liefert sensationell. Sein subtiles Charisma, die Aura der Integrität, das sorgsam ausbalancierte Spiel ziehen die Menschen in den Bann. Egal, ob als gewissenhafter sowjetischer Polizist in „Gorky Park“ (1983) oder als leicht hohler, aber sympathischer Nachrichtensprecher in „Nachrichtenfieber“ (1987). Hurt zieht die Filme fast unmerklich an sich und macht sie zu Ereignissen. Beim Schauspielen müsse man ein Eisberg sein, erklärt er seinen Ansatz. Das Sichtbare dürfe nur einen Bruchteil der Arbeit ausmachen.
Mitte der Achtziger wird er mit dem Doppelschlag zum Weltstar: Für seine Darbietung in „Der Kuss der Spinnenfrau“ bekommt er den Oscar als bester Schauspieler. Ein Jahr später wird er für „Gottes vergessene Kinder“ erneut für einen Oscar nominiert. Hollywood liegt ihm zu Füßen, trotz seines Rufs, anstrengend und launisch zu sein. Hurt selber macht die Verehrung Angst, er weiß nicht so recht, wie er mit dem Rummel, „all den roten Teppichen, Push-up-BHs und Männern, die wie Pinguine aussehen“ umgehen soll. Er flüchtet sich in den Alkohol, „ein großes Thema“, wie er später selbst sagt, und in unübersichtliche Familienverhältnisse. Während er verheiratet ist, zeugt er mit einer anderen Frau ein Kind, nur um dann mit seiner gehörlosen Filmpartnerin Marlee Matlin zusammen zu leben.
Matlin beschreibt Hurt später als jähzorniges Problemkind, das einen Hang zu physischem und psychischem Missbrauch hat. Das mag so gar nicht zum Eindruck passen, den man von dem Schauspieler hatte. Die zurückgenommene Souveränität, das sanft Wehmütige, die Anmutung eines denkenden, reflektierten Mannes widersprechen dem Bild, das Kollegen und frühere Partnerinnen zeichnen. Aber Hurt stimmt Matlin öffentlich zu und bittet um Entschuldigung.
Seine zunehmende Unzuverlässigkeit kostet ihn bald die ganz großen Hauptrollen, aber für kurze Engagements wird er weiter gerne genommen und drückt mit zwei, drei kurzen Auftritten den Filmen seinen Stempel auf. „Es gibt keine kleine Rollen, nur kleine Schauspieler“, kommentiert er das und taucht etwas überraschend auch in kommerziellen Comic-Verfilmungen auf. Hurt macht sich nichts aus Geld, muss aber seine vier Kinder und diversen ehemaligen Partnerinnen finanzieren. Um die Jahrtausendwende kommt der Hochbegabte, der notorisch unzufrieden ist, wieder in die Spur, zieht in den abgelegenen US-Bundesstaat Oregon und widmet sich dem Familienleben.
Nun ist William Hurt, einer der größten Schauspieler seiner Generation und ein Meister unvergesslicher Szenen, mit nur 71 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben.
Für „Kuss der Spinnenfrau“ erhält er den Oscar
„Es gibt keine kleinen Rollen“, war Hurt überzeugt