Schon als Mädchen wollte Gertrude Jekyll (1843-1932) Malerin werden. Und wurde es. Ihre Leinwand war die britische Landschaft. Die Bilder, die sie darauf wachsen ließ, verzauberten jeden, der sie betrat. Jekyll war Gartenkünstlerin, eine der größten, die es in Großbritannien je gab. Sie prägte unsere Sicht auf die typischen britischen Landschaftsgärten, in denen scheinbar alles wild wächst. In Wahrheit sind es klug komponierte Naturgemälde, jeder Farbtupfer von denen, die sie angelegt haben, bewusst gewählt. „Die Erde zu bepflanzen, bedeutet, eine Landschaft mit lebenden Dingen zu malen“, schrieb Jekyll einmal.
Editha Weber hat Jekyll und zwei weiteren Revolutionärinnen der Gärtnerei nun ein Büchlein gewidmet: Vita Sackville-West (1892-1962) und Constance Spry (1886-1960). Alle drei starke Frauen, deren Arbeit in der Natur nicht nur durch den Dreck unter ihren Fingernägeln auf sie abgefärbt hat: Jede wuchs im Laufe der Jahre auch über sich selbst hinaus.
Liest man ihre Geschichten, lernt man, was dieses Wühlen in der Erde, das Gestalten von und Leben in der Natur mit einem Menschen macht. Gartenkunst, das ist Lebenskunst. Beispiel Sissinghurst Castle, Sehnsuchtsort für Rosamunde-Pilcher-Freunde. Es ist Englands meistbesuchter Landschaftsgarten, gestaltet von Schriftstellerin Vita Sackville-West und ihrem Mann Harold Nicolson: selbst ein Paar wie aus einem Roman entsprungen. Ihre Beziehung war geprägt von ständigen Affären, jeweils mit Männlein und Weiblein – queer durch den Gemüsegarten gewissermaßen; doch stets waren sie in Liebe miteinander verbunden.
Sissinghurst Castle war ihr gemeinsames Lebenswerk. 1937 schrieb Sackville-West, deren wohl bekannteste Liebschaft Virginia Woolf war, Nicolson die unwiderstehlichen Zeilen: „Lass uns jeden drohenden Riss mit Blumen stopfen“ – darin liegt alles, was Natur für unser Seelenheil tun kann.
Sissinghurst war von der Idee getragen, kein Haus mit einem Garten, sondern ein Haus in einem Garten zu erschaffen. Sackville-West entwickelte sogenannte „Gartenzimmer“ – das waren keine bloßen hübsch anzusehenden Orte, sondern Lebensräume, Erweiterungen der Zimmer im Inneren. Die Natur selbst bestimmte die gestalterischen Prinzipien. Den Frühling genossen sie in Lindengang, Haselnusshain und Obstgarten, den Frühsommer in Rosen- und Kräuter-, anschließend im Weißen Garten; in Spätsommer und frühem Herbst erstrahlte dann die zweite Blüte im Rosengarten. Eine ganzjährige Kunstinstallation, von Duft und Farben erfüllt.
In Zeiten, in denen Arbeiter froh um jeden Quadratmeter Erde für den Anbau von Essbarem waren, nutzten Wohlhabende wie die aus unverschämt reichem Hause stammende Sackville-West diese Prachtgärten freilich auch als Symbol für Reichtum. Dekadent? Und wie. So betörend, dass einem das beim Anblick völlig egal ist? Aber ja.
Nicht jeden mag die Gartenarbeit also zu einem geerdeteren Menschen machen. Aber jeden macht sie hoffnungsfroher. Übrigens nicht nur die Arbeit – wer kein Grün zum Beackern hat, der spaziere doch durch die prächtigen angelegten Gärten wie in Nymphenburg. Und wenn einem da Narzissus und Tulipan die schön geschmückten Häupter aus der Erde entgegenrecken, denke man an Gertrude Jekyll: „Und während die Jahre schnell vergehen und der Körper ums noch junge Herz herum altert und der Tag des Todes immer näher rückt, kommen mit jeder neuen Frühlingszeit die süßen Blumen hervor und blühen neu.“
Editha Weber:
„Gartenkünstlerinnen“. ebersbach & simon, Berlin, 144 Seiten; 18 Euro.