„Kulturelle Front“

von Redaktion

Kiews Sinfonieorchester geht auf Tour

VON DARIO THUBURN

Inmitten des Krieges – Proben auf der Violine, dazwischen gemeinsame Therapiesitzungen: Das ist der Alltag der ukrainischen Geigerin Elisaweta Saitsewa. Die 25-Jährige ist Mitglied des Kiewer Sinfonieorchesters, das gestern in Warschau seine Europa-Tournee gestartet hat. „Jetzt kann ich wieder in meiner eigenen Welt leben, in der Welt der Musik, an die ich gewöhnt bin“, sagt sie.

Einige Mitglieder des Orchesters sind vor den russischen Bomben aus dem Land geflohen, andere blieben zunächst in der Ukraine, spielten für ihre Familien und in Luftschutzkellern. In der Warschauer Philharmonie sollen Werke der ukrainischen Komponisten Maxim Beresowski, Myroslaw Skoryk und Borys Ljatoschynskyj sowie ein Stück des polnischen Komponisten Henryk Wieniawski gespielt werden. Sie hoffe, damit „die Seelen der Menschen erreichen“ zu können, verrät Saitsewa.

„Unsere Konzerte sind wirklich eine kulturelle Mission“, sagt Oleksij Pschenytschnikow, der zweite Geiger. Der 22-Jährige hat von den ukrainischen Behörden eine Sondergenehmigung erhalten, um das Land verlassen zu können. Eigentlich müsste er, wie die meisten Männer, an der Front kämpfen. „In der Ukraine sprechen wir von einer ,kulturellen Front‘“, sagt Pschenytschnikow. Die Musiker würden nicht vor dem Krieg fliehen, es sei ein anderer „Aspekt des Krieges“, den sie repräsentieren. Die Ausnahmeregelung für die Männer gilt nur bis zum Ende der Tournee. Der italienische Dirigent Luigi Gaggero hofft jedoch, dass sein Orchester durch Einladungen aus aller Welt „vielleicht bis zum Ende des Krieges“ weiter spielen und in Sicherheit sein kann.

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