Mumien sind tabu. So war es unter Sylvia Schoske, der langjährigen Leiterin des Ägyptischen Museums in München, und so wird es auch unter Arnulf Schlüter bleiben. Wie berichtet, leitet er seit März das Haus an der Gabelsbergerstraße 35. Und hält wie seine Vorgängerin nichts davon, vor Jahrhunderten einbalsamierte Verstorbene in Vitrinen zur Schau zu stellen. Solche Gruseleffekte hat das Museum, dessen Sammlung zu den bedeutendsten in Deutschland gehört, ja auch gar nicht nötig. Vor Corona kamen bis zu 100 000 Besucher im Jahr, 1000 Veranstaltungen vom Kindergeburtstag bis zum Fachvortrag füllten das Haus mit Leben. Das oberste Ziel für den neuen Chef lautet deshalb zunächst einmal: „So soll es bald wieder sein.“
Doch wenn man mit ihm durch die Ausstellungsgänge läuft, ist man erstaunt, wie viel schon jetzt wieder los ist an einem durchschnittlichen Mittwochvormittag, keine Ferien, kein mieses Regenwetter vor der Tür. Dennoch tummeln sich in jedem Raum Besucher, alle auf Entdeckungsreise durch fünf Jahrtausende Kunst und Kultur des Alten Ägypten und des Antiken Sudan.
Eine faszinierende Epoche der Menschheitsgeschichte, von deren Erforschung auch der Museumsdirektor einfach nicht genug bekommen kann. Seit rund 20 Jahren arbeitet er in dem Haus, zuletzt als stellvertretender Direktor. „Es war wohl Glück oder Schicksal, dass ich ausgerechnet zu der Zeit hier tätig war, in der der Neubau geplant und realisiert wurde – so etwas erlebt man wenn überhaupt, dann wohl nur einmal im Leben. Nicht jeder hat die Chance, so etwas mitgestalten zu können“, freut er sich. Und deutet bei der Frage danach, was ihm besonders gut an der Architektur des 2013 eröffneten Baus im Herzen des Münchner Kunstareals gefällt, auf den langen Gang hinter dem Eingangsbereich. „Schon hier zeigt sich, dass wir kein archäologisches oder ethnografisches Museum sind, sondern ein Kunstmuseum. Dieser weitläufige, an sich ja schon beeindruckende Bau erlaubt es uns, die Objekte als Kunstobjekte zu präsentieren.“
Die Vitrinen sind so gestellt, dass man um sie herumlaufen, die Werke von allen Seiten betrachten kann; dazu sind sie nicht mit langen Textwüsten beschriftet. Wer weitere Infos sucht, findet sie an den Medieninseln und im digitalen Guide.
Der Vater einer neunjährigen Tochter und eines 14-jährigen Sohnes weiß schließlich aus eigener Erfahrung, dass ein Museumsbesuch nur dann allen in der Familie Freude bereitet, wenn jeder – vom Erstleser bis zum erfahrenen Großpapa, der selbst schon häufig in Ägypten war – auf seinem Wissensniveau abgeholt wird. „Wer mag, kann sich hier wirklich stundenlang aufhalten und sich in alle Themenbereiche intensiv vertiefen“, betont Schlüter. Manche nehmen es dabei sehr genau. Es haben sich schon Besucher gemeldet, die beklagten, dass sie 16 Mal im Haus gewesen seien und nun alle Medieninhalte durchgearbeitet hätten – ob man da jetzt nicht etwas erneuern könne? „Das freut mich natürlich, weil es zeigt, dass wir Leute begeistern können“, erzählt Schlüter schmunzelnd.
Es geht ihm selbst ja nicht anders. „Ich finde es unglaublich beeindruckend, was die alten Ägypter zur damaligen Zeit schon geschaffen haben. Es fasziniert mich die handwerkliche Perfektion, mit der sie gearbeitet haben. Mich fasziniert die gesamte Gedankenwelt, die dahintersteht. Dass man versucht hat, sich den Weltenlauf zu erklären; zu verstehen, woher der Mensch kommt, wohin der Mensch geht“, kommt er ins Schwärmen. „Und es fasziniert mich, was sie hinterlassen haben. Das klingt jetzt wie ein Klischee, aber von den Pyramiden bis zu den großen Tempeln – das sind ganz enorme Leistungen. Dazu wären wir trotz unseres technologischen Fortschritts heutzutage möglicherweise nicht mehr in der Lage.“ Hingehen und erleben.