Eine „Denkpause“ hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für das geplante Konzerthaus im Münchner Werksviertel gefordert. Und dies unter anderem mit den gerade finanziell heiklen Krisenzeiten begründet. Seit 2003 ist das Projekt schon in der Diskussion. Sanne Kurz, kulturpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, wirbt für den Bau. Was durchaus Bedeutung hat mit Blick auf den kommenden Landtags-Wahlkampf und mögliche Regierungskonstellationen.
Was bedeutet für Sie die „Denkpause“, die Markus Söder gefordert hat?
Das muss man ihn fragen. Ich erwarte eigentlich von einem Ministerpräsidenten, dass er immer denkt. Wir haben ihn in dieser Sache schon vor zwei Jahren aufgefordert, nicht zu denken, sondern zu handeln.
Kommt das Konzerthaus?
Ich glaube, dass es gebaut wird. Ich halte es allerdings für fatal, wenn es erst in 30, 35 Jahren kommt, weil jeden Tag viel Geld im Münchner Kiesboden versickert.
Und was kann man unternehmen, damit es gebaut wird?
Es bräuchte einen Zeitplan, der auch eingehalten wird. Das bedeutet: Man müsste zu dem stehen, was man beschlossen hat. Man müsste sich selbst Zwischenschritte und Fristen setzen, an denen man sich tatsächlich orientiert. Und man müsste vor allem aufhören, von allerhöchster Seite ein bereits beschlossenes, eigenes Projekt zu torpedieren.
Wenn das Konzerthaus nun realisiert werden sollte: Wo liegt für die Grünen die Grenze, was die Mindestausstattung betrifft?
Aus unserer Sicht ist es ganz wichtig, dass das Konzerthaus alles das hat, was wir mit hineinverhandelt haben. Es muss ein Haus für alle Menschen in ganz Bayern werden. Das bedeutet: Es muss Angebote geben für Kinder und Jugendliche, für die frühmusikalische Bildung, auch für Schulklassen. Räume für die Musikvermittlung sind also notwendig. Und es braucht eine Kooperation mit den kreativen Institutionen in Bayern, die dort eine Heimstatt finden. Der Austausch zwischen diesen Institutionen muss über das Konzerthaus noch besser funktionieren. Wir haben im Moment eine Situation, in der es oftmals leichter ist, mit einer Initiative in Tel Aviv zu kooperieren, als eine Zusammenarbeit zwischen Pasing und Amberg auf die Beine zu stellen.
Wie teuer darf ein Konzerthaus mit diesem Angebot sein?
Es darf nicht so teuer sein, wie es will. Steuerfinanzierte Bauprojekte dürfen nach Gutdünken nicht immer weiter wachsen. Wenn also eine Grenze erreicht wird, muss man nach Einsparungsmöglichkeiten suchen. Ich bin fest davon überzeugt, dass dies möglich ist. Wenn ich mir die bisherigen Pläne anschaue, dann gibt es da viel, bei dem man in die Vollen ging. In Zeiten, in denen so etwas nicht mehr möglich scheint, muss man eben kleinere Brötchen backen. Aber gar kein Brot mehr, das finde ich falsch.
So heikel die Zeiten gerade sein mögen: Wenn ein solches Haus entstehen kann, dann doch im reichen Bayern.
Es ist wirklich nicht so, dass Bayern kein Geld hätte. Wenn Etats schrumpfen, heißt das doch nicht, dass das Geld weg ist – es gehört nur anderen Leuten. Und wenn ich jetzt sehe, dass ein Ministerpräsident, ein Vorsitzender des Haushaltsausschusses und ein Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst – alle CSU – solche Projekte infrage stellen, dann frage ich mich natürlich: Wo fließt das Geld dann hin? In Kulturprojekte? Oder ins nächste Weltraumprogramm? Oder in Bayerns Autobahnen? Im Pandemiejahr 2020 hat CSU-Verkehrsministerin Kerstin Schreyer ein Büchlein herausgebracht, das von Rekordinvestitionen von einer Milliarde Euro in bayerische Autobahnen berichtet. Also weiß ich: Das Geld ist da. Die Frage bleibt nur, wofür ich es ausgebe.
Ist die Pandemie also auch ein Totschlagargument für Projekte wie das Konzerthaus?
Ganz im Gegenteil. Die Corona-Pandemie hat uns allen gezeigt, wie wichtig die Kultur ist – zum einen für unsere Gesellschaft, aber auch als Essenz dessen, was uns überhaupt zusammenhält. Was für uns ganz persönlich Sinn stiftet, was uns Kraft und eine Heimat gibt. Und wenn ich einen Schlenker zum russischen Krieg gegen die Ukraine machen darf: Sogar Putin hat schon lange verstanden, wie wichtig Kultur ist. Als er die Krim annektiert hat, war es eines seiner ersten Projekte, dort ein Opernhaus zu bauen. Wie wichtig Kultur für eine Gesellschaft ist, zeigt auch der Kampf um die Kulturstätten in der Ukraine. Man attackiert sie gezielt, um eine kulturelle Identität zu vernichten. Das heißt: Kulturstätten zu bauen, sorgt für eine solche Identität.
Das Gespräch führte Markus Thiel.