Szenen einer Freundschaft

von Redaktion

PREMIERENKRITIK Philip J Morris inszenierte fürs Residenztheater das Jugendstück „Bitches“

VON ULRIKE FRICK

Beste Freundinnen sind sie schon ewig. Noch nicht ganz so lange, aber auch seit einigen Jahren betreiben Funke und Cleo unter ihrem ironisch gemeinten Kampfnamen „Sons of Bitches“ sehr erfolgreich einen Videoblog. Vor der Kamera diskutieren sie im typisch munteren Youtuber-Sprech für ihre vielen tausend Fans über Make-up und Frisuren, über Lipgloss und Klamotten.

Doch in den vergangenen Monaten hat sich etwas geändert zwischen den beiden. Der Ton ist auf ungute Art rauer, gereizter geworden. Die eine reagiert extrem schnell dünnhäutig bis tief beleidigt auf die angeblich witzig gemeinten Scherze der anderen. Meist geht es dabei nicht mehr nur um Mode oder Make-up, sondern um Hautfarben, Diskriminierung und Politik, um weibliche Selbstbestimmung, Rollen-Stereotypen und gesellschaftliche Konventionen.

Immer mehr sehen sich die jungen Frauen mit ihren Auftritten im Netz als „Journalistinnen einer neuen Zeit“ und geraten bei der Suche nach einem Platz in der Gesellschaft, der virtuellen wie realen, zunehmend aneinander. Denn Cleo ist weiß und Funke schwarz.

Der britische Regisseur und Theaterleiter Philip J Morris hat das Drama „Bitches“ von Bola Agbaje für die deutschsprachige Erstaufführung am Münchner Residenztheater eingerichtet. Mit erfrischend viel Tempo, aber auch einem sicheren Gespür für leise Töne inmitten des treibenden Sounds von Drake, Symba und Skepta. Im Café-Bereich „Zur schönen Aussicht“ des Hauses sitzt das Publikum zu beiden Seiten einer kleinen Bühne aus schweinchenrosafarbenem Flauschteppich um ein blasslila Sofa verteilt. Dicht dran an den zwei Mädchen, die von Linda Blümchen (Cleo) und Massiamy Diaby (Funke) mit beeindruckendem Körpereinsatz gespielt werden. Sie tanzen und posen, kichern und streiten, das Smartphone wie festgewachsen immer in einer Hand. Wie ein Tropfen Gift dringt der ganz banale und eben doch verlässlich schmerzende Alltagsrassismus in diese Freundschaft und zersetzt sie von innen. Vom „Die Leute lieben es, wenn du dich so typisch weiß anstellst“, das Funke der Freundin beim Tanzen hinknallt über das unbedachte Geplapper wegen dieser „Chocolate-Sache“ bis hin zum „Hood-Pass“, der Weißen nie zustehen würde. Irgendwann streiten sie nur noch – und werden dabei endlich ehrlich. „Ich will nicht immer nur der Beilagensalat zu deinem Hauptgericht sein!“, heißt es da. Sätze drängen aus ihnen heraus, die nicht mehr zurückgenommen werden können. Bis die Freundschaft endgültig zerrüttet zu sein scheint.

Die in London lebende Autorin Bola Agbaje, Tochter nigerianischer Einwanderer, beschäftigt sich in bisher allen ihren Theaterstücken mit der Lebenssituation der afrikanischen Community im Ausland. Sehr geschickt nutzt sie die Bühne als Plattform für politische Anliegen, ohne dabei bemüht weltverbesserisch-oberlehrerhaft zu wirken. Im Gegenteil: Sprache und Situation sind absolut zeitgemäß und ungekünstelt, treffen aber stets den Kern des Problems. Das brachte ihr zahlreiche renommierte Preise ein. Ihr erstes Drama „Gone too far!“ wurde 2014 außerdem verfilmt.

Auch „Bitches“ sprüht vor positiver Energie, die letztlich trotz aller komplexen Themen einen Hoffnungsschimmer bietet. Dafür ist dieses Stück allen Jugendlichen ab etwa zwölf Jahren dringend zu empfehlen.

Nächste Vorstellungen

am 4., 11., 12., 19., 23. Mai;

Telefon 089/21 85 19 40.

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