Zurück zu den Wurzeln

von Redaktion

In Wien hatte Tom Stoppards neues Stück „Leopoldstadt“ seine deutschsprachige Erstaufführung

Der britische Autor Tom Stoppard erzählt in seinem jüngsten Stück „Leopoldstadt“ die Geschichte der Juden in Wien über mehrere Generationen hinweg. Zwei Jahre nach der Londoner Uraufführung ging das Theater in der Josefstadt am Donnerstag ein Wagnis ein: die deutschsprachige Erstaufführung. Dass das Stück des 84-Jährigen, der 1999 für sein Drehbuch zu „Shakespeare in Love“ den Oscar gewonnen hat, mit Betroffenheit und Wohlwollen aufgenommen wurde, hat viel damit zu tun, dass Stoppard auch seine persönliche Geschichte erzählt. Das Ergebnis: kein Stück über Nazis oder die Schoah, sondern über die Überlebenden.

Im Zentrum des Dramas in der Übersetzung von Daniel Kehlmann stehen der zum Katholizismus konvertierte Fabrikant Hermann Merz und seine Verwandten. Regisseur Janusz Kica und das Ensemble spannen den Bogen von 1899 bis ins Jahr 1938, als die Familie von den Nazis aus ihrer Wohnung geworfen wird. Zuletzt treffen sich drei Überlebende 1955.

Stoppard selbst entkam als Kind mit seiner Familie aus der heutigen Tschechoslowakei und gelangte nach Großbritannien, wo er seine jüdische Identität weitgehend ablegte. „Es dauerte viele Jahre, bevor ich begann, mir vorzuwerfen, dass ich ohne Geschichte lebe“, erzählte er vor der Premiere. Seine Entscheidung, zu seinen Wurzeln zurückzukehren, wurde nun in Wien mit langem Applaus bedacht. ALBERT OTTI

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