Schlaglichter der Vertreibung

von Redaktion

Die Münchener Biennale startet mit einem Projekt über den Ukraine-Russland-Konflikt

VON MARKUS THIEL

Als das Projekt entstand, gab es noch keinen Angriffsbefehl Putins auf Kiew oder Mariupol. Wohl aber auf die Krim oder den Donbass – blutige Brüche des Völkerrechts, unter deren Eindruck diese „Lieder von Vertreibung und Nimmerwiederkehr“ entstanden. Dabei zielen der österreichische Komponist Bernhard Gander und der ukrainische Textdichter Serhij Zhadan, auf Allgemeingültiges: auf Bedro-hung, Flucht und Verfolgung, auf all das also, was immer passiert, wenn Hybris-Männer zu den Waffen greifen lassen.

Eine aktuellere Produktion lässt sich nicht denken zum Auftakt der Münchener Musiktheater-Biennale. Wobei „Lieder“ im Titel des Eröffnungsstücks, das mit der Deutschen Oper Berlin koproduziert wurde, hindeutet auf die Struktur: Schlaglichter der Vertreibung sind diese manchmal sehr langen 100 Minuten in der Muffathalle. Ganders Musik für das Instrumentalquintett des Ensemble Modern flirtet mit Rockigem und segelt gleichzeitig auf Sichtweite zu Strawinsky und Orff. Das betrifft die fast skandierten Worte und Satzteile, musikalische Kurz-Phrasen, die sich in simplen Intervallen und in rhythmisch vertrackten Schleifen bewegen. Und die zweimal durch das Lamento einer Verfolgten unterbrochen werden.

Die Musik stützt und trägt das, kommentiert kaum. Wichtig bleibt das Wort, was angesichts des sehr poetischen Librettos von Zhadan angemessen ist. Das Stück bewegt sich auf zwei Ebenen: Einmal wird man konfrontiert mit einer anonymen Flüchtlingsmasse an der Grenze zweier Staaten, die Klagechöre der klassischen Oper hallen hier wider. Und zum anderen begegnet man zwei Männern in Abschiebehaft, beiden droht Verfolgung im Heimatland. Alle müssen dabei enorme Textmengen bewältigen – mit imponierendem Ergebnis, auch in der Konzentration auf die vertrackte Partitur.

Elda Laro dirigiert das alles, als sei sie seit zehn Jahren mit dem Opus vertraut. Alize Zandwijk (Regie), Theun Mosk (Bühne) und Anne Sophie Domenz (Kostüme) hüten sich vor plumper Aktualisierung, bleiben beim fast oratorischen Arrangement. Vieles wird, bedingt durch Musik und szenische Umsetzung, bald vorhersehbar: Ein Dringlichkeitsverlust, den eine beherzte Dramaturgie in Kürzungslaune wohl verhindert hätte.

Weitere Vorstellungen

am 9. und 10. Mai; das Festival dauert bis 19. Mai;

muenchener-biennale.de.

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