Wenn es um Willkommenskultur für Flüchtlinge geht, zeigt München wieder einmal sein großes Herz. Viele Menschen spenden, nahmen geflüchtete Ukrainer auf oder leisten als Ehrenamtliche Hilfe bei der Betreuung und Versorgung. „Nichts anderes habe ich von meiner Heimatstadt erwartet“, sagt Friedrich Ani. Der Schriftsteller, vor allem für seine Krimis bekannt, hat nicht nur selbst gespendet, der 63-Jährige beteiligt sich auch an der ganztägigen Benefizaktion der Münchner Verlage am Sonntag: Bei „Read for Peace“ lesen prominente Autorinnen und Autoren aus ihren Werken und diskutieren mit dem Publikum (siehe Kasten). Alle Einnahmen aus dem Kartenverkauf, den Büchertischen sowie Spenden kommen der Ukraine-Hilfe der Landeshauptstadt München zugute. Wir sprachen mit Ani über sein Engagement, den Krieg und die Macht der Worte.
Die Solidarität mit der Ukraine ist groß, dennoch fühlten und fühlen sich viele hilflos, geradezu ohnmächtig. Kennen Sie das Gefühl?
Beim Blick in die Welt stellt sich dieses Gefühl doch fast täglich ein! Jetzt ist uns die Bedrohung geografisch höchst nahegekommen – deswegen treibt uns dieses Ohnmachtsgefühl stärker um, als wenn wir von den elenden Kriegen in Afrika oder in Syrien hören. Insofern verstehe ich gut, dass Menschen sich ängstigen und manche panisch in die Zukunft blicken.
Ist das für Sie der Grund, sich an „Read for Peace“ zu beteiligen, also etwas tun zu können?
Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder an Lesungen teilgenommen, die im Rahmen eines Friedensprojekts oder eines gesellschaftlichen Widerstands stattfanden – als Autor. Ich stelle mich nicht auf die Bühne und simuliere einen Politiker oder aufgebrachten Bürger. Ich tue das, was mir entspricht und wofür ich einstehe, mit meinem Schreiben, meinen Romanen, meinen Gedichten.
Was werden Sie am Sonntag vortragen?
Die Lesezeit ist ja begrenzt. Deshalb werde ich Gedichte aus meinem Band „Die Raben von Ninive“ vortragen. Darin finden sich Balladen, auch Gedichte über Kriminalfälle. Und es würde mich freuen, wenn die Zuhörerinnen und Zuhörer unterhaltsame Momente genießen und gleichzeitig mit einer Spende Gutes tun.
Im Zusammenhang mit der Ukraine geht es dieser Tage auch viel um Sprache, um Rhetorik. Andrij Melnyk, Wolodymyr Selenskyj und Olaf Scholz werden analysiert, interpretiert. Als jemand, der genau zuhört, beobachtet und dessen Werkzeug Worte sind: Wie schätzen Sie deren aktuellen Gebrauch ein?
Krieg generiert immer eine ausfransende, oft zersplitternde Sprache. Dass Politikern, die in der Umlaufbahn eines Kriegs agieren müssen, die Sprache auch mal entgleitet, ist nachvollziehbar. Es ist die Konsequenz eines geografisch nahen Kriegs, mit dem umzugehen auch die Volksvertreter erst lernen müssen. Dabei ist manches verzweifelte Ringen um einen angemessenen Ausdruck zu hören, was hin und wieder komplett scheitert. Durch die Wucht der Sozialen Medien landet jedes Wort sofort auf der Waagschale der Korrektheitsapostel. Die Klappe zu halten wäre manchmal vielleicht nicht die schlechteste Lösung.
Wenn der Diplomat Melnyk den Kanzler als „beleidigte Leberwurst“ betitelt, dann sind doch mindestens Irritationen legitim?
Dieser Mann verfolgt eine eigene Agenda. Melnyk hat eine Methode entwickelt, mit der er die deutsche Regierung unter Druck zu setzen versucht. Das ist ungewöhnlich, ja unerhört. Mein Eindruck ist aber, dass die Angesprochenen in Berlin schon wissen, wie sie damit umzugehen haben. Sie kommentieren nicht alles, die Medien tun das – weil Melnyk liefert. Und die Sprache schaukelt sich weiter hoch. Wenn sich jemand wie Olaf Scholz daran nicht beteiligt, gilt er als schwach oder nicht entscheidungsfreudig. Wahrscheinlich denkt er mehr nach als jeder, der ihn pfeilschnell kommentiert.
Ein offener Brief von Intellektuellen um Alice Schwarzer fordert von Deutschland Zurückhaltung bei Waffenlieferungen. Die Unterzeichner stehen heftig in der Kritik. Wie sind Ihre Gedanken dazu?
Wenn ich politisch etwas ausdrücken möchte, versuche ich, meine Gedanken und Fragen in meine Bücher einfließen zu lassen. Etwa durch eine bestimmte Figurenkonstellation, die es mir erlaubt, eine Weltsicht oder eine Vorstellung davon darzustellen, wie Menschen miteinander umgehen sollten. Wenn, dann beteilige ich mich literarisch an einem Diskurs. Offene Bücher – ja, offene Briefe – nein. Offene Briefe haben für mich immer eine Aura von Selbstgefälligkeit.
Sie schreiben gerade an einem Buch. Können Sie schon etwas verraten?
Das soll ein neuer, umfangreicher Kriminalroman werden, der aber erst in zwei Jahren erscheint.
Ein neuer „Tabor Süden“?
In der Geschichte tummeln sich viele Figuren, eine davon ist tatsächlich mein alter Zausel Süden.
Das Gespräch führte Katrin Basaran.