Selten genug, dass man vom Support Act, der die Wartezeit auf den Star des Abends meist unnötig verlängert, gern mehr gehört hätte. Bei Cherise, einer Singer-Songwriterin mit jamaikanischen Wurzeln, aber war wohl die ganze wegen Jamie Cullum ausverkaufte Isarphilharmonie enttäuscht, dass sie ihre mehrere Oktaven umfassende Stimme in sparsamen Arrangements zur Gitarre nur fünf Songs lang so persönlich, ja berührend zur Geltung bringt. Eine echte, an die junge Lianne La Havas erinnernde Entdeckung, der man bald eine eigene Tour wünscht.
Dann aber erobert Jamie Cullum den Saal im Sturm. Auch mit 42 sieht das britische Energiebündel mit dem Lausbubencharme noch so aus, als habe er sich gerade erst an der Uni immatrikuliert, während das rauchige Timbre seiner Stimme immer noch an einen Barden von weit größerer Lebenserfahrung denken lässt.
Ein paar Songs lang powert er die Stimmung ordentlich hoch – aber Cullum ist klug genug zu wissen, wann er Tempo aus der Mitklatsch-Party rausnehmen muss. Dann kommt der Standard „I get a kick out of you“, den er bereits 2001 in Murnau („mein allererstes Konzert außerhalb Großbritanniens“) gesungen hat, zu swingenden Ehren. Schritt für Schritt reduziert er die siebenköpfige Begleitband, bis er allein am Flügel „What a Difference a Day makes“ interpretiert – ein stiller Höhepunkt. Nur um danach richtig Gas zu geben, bis es wirklich niemanden mehr auf dem Sitz hält.
Cullum erweist sich als verblüffender Hybrid aus einem versierten Barpianisten und Stadionrocker und erinnert an Blockbuster-Regisseure wie Christopher Nolan oder Denis Villeneuve, die auch ins bombastischste Effekt-Spektakel die unkonventionelle Sensibilität ihrer Arthouse-Anfänge einschmuggeln. Hätte sich Cullum nach fast zwei Stunden perfekt getaktetem Entertainment für die beiden Zugaben nicht allein an den Steinway gesetzt, sein Publikum hätte ihn wohl nie gehen lassen. REINHOLD UNGER