Zu seinem Abschied wollte Kevin John Edusei es noch einmal wissen: Und so forderte er die Münchner Symphoniker, seit acht Jahren „sein“ Orchester, bis an die Grenzen des Machbaren. Mahlers Zehnte sprengte fast das gut besuchte Prinzregententheater, in dem zuvor Alban Bergs zwölftöniges Violinkonzert – „Dem Andenken eines Engels“ – die Zuhörer begeistert hatte. Wie gekonnt Berg seine Musik mit Emotion aufladen und zu Schönklang formen konnte, bewies er auch in diesem Werk von 1935, seinem letzten vollendeten. Er widmete es Manon Gropius, Tochter von Alma Mahler und Walter Gropius, die an Kinderlähmung gestorben war.
Mit der aus Amsterdam stammenden Geigerin Rosanne Philippens hatten die Symphoniker eine ausgezeichnete Solistin zur Seite, die sich mit technischer Virtuosität und enormer Intensität behauptete. So entwickelte sich der erste Satz aus dem Klang der leeren Saiten hinein ins Volksliedhaft-Tänzerische, mit innigen Momenten, bevor der Überlebenskampf hereinbrach und die Violine im Geigen-Tutti versank. Zusammen mit dem Orchester, das von Edusei souverän durch Bergs vielschichtige Satzstruktur geleitet wurde, gelang eine ebenso beeindruckende wie berührende Interpretation.
Mahlers unvollendete Zehnte (in der Aufführungsversion von Deryck Cooke) wurde noch einmal zur Herausforderung. Edusei hatte nicht nur den großen Aufriss im Blick, sondern hielt die Spannung auch im Kontrastreichtum der fünf Sätze. Bedacht auf die klangliche Balance, gewährte er auch den Solisten Raum. Aufschrei und Besänftigendes, Triviales und Endzeitliches waren nah beieinander. Nach diesem Überwältigungsakt gab es Jubel vom Publikum und Blumen von Orchester und Intendanz.