Der Gewissenhafte

von Redaktion

NACHRUF Schauspieler Ray Liotta ist überraschend mit 67 Jahren gestorben

VON ZORAN GOJIC

„Es wäre schön, mal einen Mann zu spielen, der keine Frau würgen muss, um ihr näherzukommen.“ Ray Liotta wusste, dass ihm seine Auftritte als tickende Macho-Zeitbombe in „Gefährliche Freundin“ (1986) und insbesondere im Klassiker „Good Fellas“ (1990) eine große Karriere ermöglicht haben. Aber er wusste auch, dass er viel mehr konnte, als eindrucksvoll den bösen Buben zu geben. Er hat das immer wieder in wundervollen, oft kleinen Rollen bewiesen, aber im Gedächtnis bleibt er als manischer, latent gefährlicher Bursche mit massivem Impulskontrollproblem. Liotta war sich bewusst, dass er den Sprung in die erste Reihe Hollywoods selbst vergeigt hat, weil er zu zaghaft war. Er hätte „Batman“ sein können, zum Beispiel, oder von der ersten Staffel an einer der Stars der legendären Serie „Die Sopranos“. Er wollte nicht, was er später bereute.

Andererseits: Er hat trotzdem eine bemerkenswerte Filmografie vorzuweisen mit vielen denkwürdigen Auftritten, die Filme prägten, selbst wenn er nur kurz zu sehen war. Als Baseball-Spieler etwa in „Feld der Träume“ (1989), als integrer Polizist in „Cop Land“ (1997), als besorgter Vater eines Drogendealers in „Blow“ (2001) und in zahlreichen anderen Werken, die deutlich über dem Durchschnitt üblicher Hollywoodproduktionen liegen.

Beinahe hätte Liotta aber seine Laufbahn gleich zu Beginn vermasselt. Nachdem er in einer TV-Serie als Leiche debütiert hatte, bekam er 1978 eine Rolle in einer Soap Opera, die er aufgab, um nach Los Angeles zu gehen und jahrelang arbeitslos herumzulungern. Erst mit Mitte 30 gelang ihm durch seine sensationelle Darstellung im Mafia-Epos „Good Fellas“ der Durchbruch. In der Folge musste er dagegen ankämpfen, nicht ständig als italienischer Gangster besetzt zu werden. Zum einen war er kein Italiener, den Namen verdankte er seinen Adoptiveltern, zum anderen war er privat ein zurückhaltender Mensch, der nach eigenen Angaben nie in körperliche Auseinandersetzungen verwickelt war.

Seine Präsenz und die charismatische Aura überdeckten die Sorgfalt und Hingabe, mit der sich Liotta in die Arbeit warf. So konnte er gleichermaßen überzeugend Sinatra darstellen oder einen Mann, der sein eigenes Hirn essen muss („Hannibal“), oder eine wunderbare Persiflage liefern auf sein Image als Bad Guy in „Born to be wild“ (2007). Diese Leidenschaft und seine Freude am Beruf machten ihn unter Kollegen enorm beliebt, auch weil er nie einen Hehl aus seiner Bewunderung für Schauspielpartner wie Gene Hackman, Al Pacino oder Johnny Depp machte. Er war frei von Konkurrenzdenken und Diventum, wenn er schwierig wurde, dann, weil die Rollen etwas abfärbten, wie er zugab. Dies jedoch nicht ohne den Zusatz, womöglich hätte er öfter gutherzige Priester spielen sollen.

Wie berichtet, ist Liotta am Donnerstag in der Dominikanischen Republik bei Dreharbeiten gestorben, mit nur 67 Jahren. Er hat unvergessliche Szenen hinterlassen und Kollegen, die ihn aufrichtig vermissen. Lorraine Bracco, seine Filmehefrau aus „Good Fellas“, antwortete auf die Frage nach ihrer schönsten Erinnerung an den Film immer mit „Ray Liotta“. In einer gerechten Welt wäre er zumindest einmal für den Oscar nominiert gewesen.

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