Andrew Lloyd-Webbers Katzen begleiten Chrissie Cartwright bereits mehr als drei Jahrzehnte. Seit die legendäre Choreografin Gillian Lynne sie 1986 zu ihrer Assistentin machte und ihr die Aufsicht über die Londoner „Cats“-Inszenierung übertrug, war sie international an 24 Produktionen des Erfolgsmusicals beteiligt. Auch auf den Proben zur aktuellen Europatournee, die ab dieser Woche im Deutschen Theater gastiert, ruhte ihr wachsames Auge. Wir sprachen mit Cartwright vor der München-Premiere am Donnerstag.
Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit „Cats“?
Das war 1981, als die Produktion noch in den Previews war. Ich spielte damals in einer anderen Show, und wir sind als Gruppe hingegangen, um zu sehen, was unsere Kollegen machen.
Vor der Premiere gab es viele Skeptiker, die nicht an einen Erfolg glaubten. Wie haben Sie die Show damals erlebt?
Ich mochte die Musik und habe mich sofort in die Choreografie verliebt. Die Story war damals noch nicht so klar. Aber wir haben immer wieder versucht, das deutlicher herauszuarbeiten. Ich finde die Botschaft auch heute sehr aktuell. Denn im Grunde geht es um Vergebung und Erlösung.
Sie waren in 24 „Cats“-Produktionen involviert. Wie hält man eine Show nach so langer Zeit frisch?
Waren es wirklich so viele? (Lacht.) Nein, ganz ehrlich, das war nie ein Problem. Ich bin nie auf die Probe gekommen und habe mir gedacht, das hab’ ich doch schon mal gemacht. Bei dieser Tour haben wir eine interessante Mischung aus erfahrenen Leuten und solchen, die noch ganz frisch im Geschäft sind. Das sorgt für eine sehr spannende Dynamik.
„Cats“ fordert unterschiedliche Tanzstile. Ist das Casting heute einfacher, nachdem die Show inzwischen als Klassiker gilt?
Es gibt tatsächlich nur zwei im aktuellen Ensemble, die Erfahrung mit „Cats“ haben. Für alle anderen ist es das erste Mal. Wir haben uns bei der Besetzung viel Zeit genommen, um Leute zu finden, die genau diese Vielseitigkeit mitbringen.
Wie viel Freiheit lassen Sie Ihren Katzen?
Die Schritte bleiben natürlich. Aber vieles wurde durch Improvisation entwickelt, etwa die Katzenbewegungen, die vieles über die einzelnen Figuren aussagen. Hier können und sollen die Darsteller sich selber einbringen. Dadurch bekommt jede Produktion ihre eigene Energie.
Wie kam es zu Ihrem eigenen Wechsel von der Darstellerin zur Choreografin?
Da bin ich einfach hineingerutscht. Ich hatte immer ein gutes Auge, weshalb ich schon früh begonnen habe zu assistieren. Und nachdem ich für eine Benefiz-Veranstaltung eine meiner ersten eigenen Choreografien machen durfte, erhielt ich am nächsten Tag einen Brief von Gillian „Gilly“ Lynne, die schrieb, wie sehr ihr meine Arbeit gefallen habe, und dass sie sich gerne mit mir treffen möchte.
Viele „Cats“-Fans sehen die Show inzwischen mit ihren Kindern oder Enkeln. Auch in Ihrer Familie scheint sich die Begeisterung vererbt zu haben.
Es war etwas ganz Besonderes, als meine Tochter für die Tour in Großbritannien engagiert wurde. Gilly war damals noch am Leben und hatte die Endproben geleitet. Meine Tochter spricht noch oft von ihr. Wenn ich Anmerkungen gemacht habe, hat sie diese zwar zur Kenntnis genommen. Aber das, was Gilly ihr gesagt hat, das war wirklich wichtig.
Gillian Lynne hat Sie immer wieder als ihre „Augen und Ohren“ bezeichnet. Was empfinden Sie, wenn Sie ihr Erbe nun an die nächste Generation weitergeben?
Für mich ist es eine Ehre und ein Privileg. Wir waren sehr eng miteinander befreundet, und ich sehe es quasi als meine Pflicht, diese Verantwortung zu übernehmen. Die erste Premiere nach ihrem Tod war 2019 in Wien. Eine Stadt, die für sie sehr wichtig war. Da haben wir beim Schlussapplaus ein Foto von ihr mit auf die Bühne genommen, damit sie gemeinsam mit uns den Applaus entgegennehmen konnte. Und danach haben wir das Foto Backstage aufgehängt. Als Erinnerung und Ermutigung fürs ganze Ensemble.
Das Gespräch führte Tobias Hell.
Premiere
von „Cats“ ist am 2. Juni, 19.30 Uhr, im Deutschen Theater; Karten unter tickets.deutsches-theater.de.