Auf lauten Pfoten

von Redaktion

PREMIERE Umjubelte Premiere von „Cats“ im Deutschen Theater München

VON TOBIAS HELL

Die Magie des Theaters sollte man nie unterschätzen. Egal wie perfekt die Illusionen auch scheinen mögen, die uns die großen Kino-Blockbuster inzwischen mit allerlei Computertricks vorzugaukeln versuchen: Dass das Live-Erlebnis in manchen Fällen immer noch klar die Nase vorn hat, lässt sich derzeit im Deutschen Theater in München überprüfen, wo Andrew Lloyd Webbers „Cats“ vom Publikum mit stürmischem Applaus begrüßt wurde.

Wer dachte, dass die tanzenden Vierbeiner mit Tom Hoopers desaströser Verfilmung von 2019 endgültig das letzte ihrer sieben Leben ausgehaucht hätten, darf sich von dieser exzellent besetzten englischsprachigen Tourneeproduktion eines Besseren belehren lassen. Sicher, manche der Songs sind schon sehr in den Achtziger stecken geblieben. Doch auch das gehört irgendwie zum nostalgischen Charme der hier neu einstudierten Originalversion. Und selbst wenn es in jüngerer Vergangenheit den einen oder anderen Versuch gab, diesem Musical-Klassiker ein kleines Update oder gar einen völlig neuen Dreh zu geben, ist und bleibt „Cats“ eben doch ein perfektes Gesamtpaket, das man eigentlich nur so und nicht anders sehen möchte.

Dazu gehören die äußerst fantasievollen Kostüme ebenso wie das Bühnenbild von John Napier, der erneut eine detailreich gestaltete und mit cleverer Schleichwerbung versehene Müllhalde entworfen hat. Vor allem aber die ikonische Choreografie von Musical-Legende Gillian Lynne, die nun wie berichtet von ihrer langjährigen Assistentin Chrissie Cartwright gewissenhaft wieder zum Leben erweckt wurde. Eine ganz eigene Bewegungssprache, fest verwurzelt im klassischen Ballett, aber ebenso gewürzt mit Anleihen aus dem Jazz-Tanz und kleinen akrobatischen Einlagen. Nicht zu vergessen gleich zu Beginn eine rasante Stepp-Nummer, die von Sarah-Marie Maxwell souverän angeführt wird.

Als Jennyanydots ist sie die erste in einer langen Reihe von Katzen mit merkwürdigen Namen, die sich hier vorstellen. Gefolgt unter anderem von Philip Bertioli, dessen Skimbleshanks sich selbst nach zahlreichen kräftezehrenden Sprüngen nicht außer Atem bringen lässt. Oder von Liam Mower als Mr. Mistoffelees, der für seine wirbelnden Pirouetten und Höhenflüge mehrfach Szenenapplaus einfährt. Gleich in zwei Rollen überzeugt Hal Fowler. Er gibt zunächst den selbstverliebten und wohlgenährten Lebemann, ehe er im zweiten Akt mit starker Stimme die Glanzzeiten des alternden Theaterkaters Gus heraufbeschwört. Trotzdem gehört der Hit der Show natürlich Jacinta Whyte. Und sie gibt hier wirklich alles, um das vom Publikum eifrig mitgesummte „Memory“ nicht zur vertrauten Fahrstuhlmusik werden zu lassen. Wodurch der Ohrwurm diesmal eher zur wütend herausgeschleuderten Anklage wird.

Der Erfolg der Produktion ruht aber keineswegs nur auf den Solo-Nummern der üblichen Verdächtigen. Es ist vor allem die homogene Ensemble-Leistung, die sich besonders gut im energiegeladenen „Jellicle Ball“ beobachten lässt. Die große Tanz-Sequenz präsentiert die spielfreudigen Katzen und Kater in makellos synchronen Formationen – und bietet ihnen gleichzeitig reichlich Gelegenheit, individuell zu glänzen. Da lohnt es sich durchaus, den Blick mal ins Ensemble schweifen zu lassen oder sich eventuell gar ganz auf einen persönlichen Liebling zu konzentrieren. Denn auch in den kleineren Rollen gibt es viele liebevoll herausgearbeitete Charaktermomente zu entdecken. So unter anderem von Aaron Hunt, Joel Cooper und Erin Gisele Chapman, die als Bill Bailey, Carbucketty und Cassandra zwar nicht mit einem eigenen Song bedacht wurden, aber immer wieder den Fokus auf sich ziehen und bleibenden Eindruck hinterlassen. Mit solch einem Ensemble hat die Show noch viele (Katzen-)Leben in sich.

Weitere Vorstellungen

bis 26. Juni, Di. bis So.; Tickets: 089/55 23 44 44.

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