Diesmal trifft sie ausnahmsweise zu, die Behauptung, dass zeitgenössische Kunst „total verstrahlt“ sei. Denn Carsten Nicolai (Jahrgang 1965) macht tatsächlich Kunst aus kosmischer Strahlung, die pausenlos die Erde trifft. Mit seiner Installation „transmitter / receiver – the machine and the gardener“ hat er quasi ein astrophysikalisches Amphitheater ins Haus der Kunst gebaut: Die Zuschauer nehmen in einem schwarzen Guckkasten Platz und schauen hinaus in ein mal mehr, mal weniger helles Halbrund, das weiße Tuchbahnen begrenzen.
Der Boden besteht aus Streusalz, und inmitten dieses Zen-Gartens steht eine retro-futuristische Apparatur mit Lampen, die wie riesige Röhren aus alten Radios aussehen. In kurzen Abständen flackern einzelne Lampen auf, begleitet von elektrischem Knistern aus den Lautsprechern, die ansonsten ein rhythmisch vibrierendes Dauerbrummen, Klingeln und Sirren von sich geben.
Klingt wirklich irgendwie spacig, aber teilweise auch wie der Beginn von Wagners „Rheingold“. Des Rätsels Lösung: Carsten Nicolai hat Geigerzähler installiert, und immer, wenn die ein radioaktives Teilchen aus den Tiefen des Weltalls auffangen, wird das in einen Impuls umgesetzt, der die Lampen aufleuchten lässt. Zugleich moduliert dieser Teilchen-Impact sowohl das kosmische Rauschen aus den Lautsprechern, als auch Farbe und Helligkeit des Lichts, das von blau über rot zu weiß wechselt.
Am liebsten würde man stundenlang sitzen bleiben, um diesem kontemplativen Kunst-Natur-Schauspiel beizuwohnen. Mit esoterischem „Universums“-Kitsch hat die Installation wohltuend wenig zu tun. Eher erinnert sie an die altmodischen physikalischen Versuchsaufbauten, die wir als Kinder einst im Deutschen Museum bestaunten und die hoffentlich nicht alle irgendwelchen bemühten museumsdidaktischen Innovationen zum Opfer fielen. Schließlich sind Museen keine bloßen Funktionsorte, die Inhalte vermitteln, sondern der eigentliche „Inhalt“ jeder Präsentation besteht auch in ihrer atmosphärisch-performativen Qualität.
Was Nicolai erfahrbar macht, ist jene Ästhetik des elektrischen Widerstands, wenn man so will, die uns schon als Kinder in Bann schlug. Dieser Spannung zwischen abstrakter Wissenschaftlichkeit und leiblich-gestalthaftem Erleben wohnt tatsächlich eine Dramatik inne, der Nicolais theatraler Raumentwurf entspricht. Ob es eine Tragödie ist oder eine Komödie, was wir da sehen, lässt sich allerdings nicht entscheiden. Dafür ist das zu „abgespaced“, könnte man sagen.
Bis 17. Juli,
Mi. bis Mo. 10 bis 20 Uhr, Do. bis 22 Uhr.