Man spürt förmlich die Hand, die auf dem nackten Rücken liegt. Als sei man selbst der Bub, der im Sonnenschein auf der Wiese liegt. Haut an Haut mit zwei Freunden, an einem heißen Sommertag irgendwo an der Ostsee. „Drei schlafende Jungen“ hat Herbert List das Foto überschrieben, das er 1932 von den Burschen gemacht hat, die da so vertraut beinanderliegen. Die Hosen ganz dreckig von Sand. Vermutlich auch klamm vom Baden im Meer. Ein Bild, das die Unbeschwertheit der Kindheit atmet, durchtränkt ist von seliger Erschöpfung am Ende eines Tages voller Glück, das nach Eiscreme und kalter Limo schmeckt. Alle Bilder, die der Hamburger Fotokünstler Herbert List (1903-1975) im Laufe seines bewegten Lebens angefertigt hat, sind niemals bloßes Abbild, sondern immer tiefes Durchdringen des Moments. So intim, dass man als Betrachter das Gefühl hat, den Porträtierten in all seiner Verletzlichkeit zu erkennen. Keine Pose, echtes Gefühl.
Bis 11. September zeigt das Bucerius Kunst Forum Hamburg in Kooperation mit dem Münchner Stadtmuseum und dem Herbert List Estate die Ausstellung „Das magische Auge“. Die rund 250 Fotografien, die dort gezeigt werden, kann man nun auch im Katalog betrachten. Sie wirken im Buchformat nicht minder intensiv. In München hat List viele Jahre seines Lebens verbracht. Hat in den Nachkriegswirren des Zweiten Weltkriegs mit seiner Kamera die zerstörte Stadt festgehalten. Die Glyptothek, die Technische Hochschule, die Akademie.
Später wurde er, der während der Zeit des Nationalsozialismus nach Griechenland floh, um – als „Vierteljude“ und homosexueller Mann – der Verfolgung zu entkommen, Starfotograf für die großen Magazine dieser Welt. „Höchste Zeit, das Gesicht, den Menschen hinter dem Fotoapparat vorzustellen – und einen großartigen Hamburger Künstler zu feiern“, schreibt Burkhard Schwenker im Katalog. Gleichzeitig ist dieser Bildband eine fantastische Einstimmung auf die heißen Tage des Jahres. Die Schwarz-Weiß-Fotografien, in denen List gekonnt mit Licht und Schatten spielt, erinnern uns daran, die Schönheit des Moments festzuhalten. Er hat es mit der Kamera getan. Tun wir es mit unseren Augen. Wenn Magisches passiert.
Bucerius Kunst Forum, Herbert List Estate, Münchner Stadtmuseum:
„Herbert List. Das magische Auge“. Hirmer Verlag, München, 288 Seiten; 45 Euro.