In Hülle und Fülle

von Redaktion

AUSSTELLUNG Das Lenbachhaus widmet sich Werken von Rosemary Mayer

VON SIMONE DATTENBERGER

„Gibt’s nur bei uns!“ So möchte Lenbachhaus-Direktor Matthias Mühling die Ausstellungsreihe der Städtischen Galerie am liebsten überschreiben, die vergessene, nicht repräsentierte Künstlerinnen der Zeit nach 1945 aus der Versenkung holt und wissenschaftlich umsorgt. „Wir machen das nicht, weil es jetzt alle tun“, betont der Chef bei der Pressekonferenz zu „Rosemary Mayer – Ways of Attaching“ (Kooperation mit der Mayer-Stiftung, mit Aachen und Island). „1946, da gab es noch keine Bundesrepublik, wurde im Lenbachhaus eine erste Schau gezeigt, und zwar mit Werken von 50 Münchner Künstlerinnen.“ In der Tat hat das Museum das als Tradition fortgeführt und im Vergleich zu anderen Häusern ungewöhnlich viele Arbeiten aus weiblicher Schöpferkraft gesammelt. Sicherlich hat die Patrona Lenbachhausiensis, Gabriele Münter, darüber gewacht.

Wenn man von den Stoffskulpturen und den ephemeren Performances ausgeht, schließt Mayer (1943-2014) perfekt an die Strumpfhosen-Raumstrukturen von Senga Nengudi (2019 im Lenbachhaus) an. Die humorvollen, selbstbewussten Frauen verwandelten ganz entspannt das Typisch-Frau-Material Stoff in verzwickt konstruierte Plastiken.

Natürlich sind ihre Wege unterschiedlich. Rosemary Mayer, die sich im New York der Siebzigerjahre feministisch und in Künstlergruppen engagierte, war frei genug, Gegenwartskunst nicht als Gegensatz zu älteren Richtungen zu sehen; obendrein liebte sie Literatur (sie war ebenfalls Übersetzerin und Autorin), Historie, Mythen sowie Musik. Und Bayerns Barock samt Rokoko. Na ja, altgriechische Vasen-Varianten begegnen einem in der Ausstellung als getreuliche Silhouetten. Das war’s dann auch schon mit dem Bravsein. Die weströmische Kaiserin Galla Placidia, unsere Dichterin Roswitha von Gandersheim oder die mythische Königin von Lemnos, Hypsipyle, hat man sich absolut nicht so vorgestellt wie Mayer. „Hypsipyle“ konnte das Lenbachhaus kaufen. Die Wandeck-Skulptur von 1973 schwingt sich auf sieben zarten Holzbögen leicht in den Raum und trägt dabei Stoff und Schleier. Die Arbeit verwandelt den Bau, wird zugleich selbst Architekturelement, verweist aufs Schneiderhandwerk wie auf Dekorationsausstattung.

Monumental sind „Galla Placidia“ und „Hroswitha“ (sic!). Die Schriftstellerin ist eine aufragende, in runden, klar konturierten Falten gefasste Form in Blutrot, Schwarz und Weiß. Die Kaiserin ist eine Hängeskulptur aus weichen Fältchenschleiern und wenigen opaken Stoffen in deliziösen Farbschattierungen. Scheinbar auf einer schmalen Basis stehend, bauscht sie sich oben imposant aus. Kuratorin Stephanie Weber verweist auf Mayers Liebe zu italienischen Malern des Manierismus und eben zum Barock. Nicht nur in diesen Zeiten spielte der Faltenwurf eine dramatische Rolle; und im bayerischen Rokoko fährt ein wahrer Föhnsturm hinein. Kein Wunder, dass die Künstlerin, die im Studium ihre Gewandstudien absolvierte, später zeichnerisch mit Stoffdraperien experimentierte. Dieses Sich-Herantasten an Skulpturen, die statisch kaum mehr möglich waren, lässt sich in der Schau verfolgen.

Natürlich finden sich dort auch Dokumente zu ihrem Buchprojekt über hiesige Barockkirchen zwischen Altomünster und Rott am Inn, zu ihren Aktivitäten in der New Yorker Szene und zu ihren Veröffentlichungen. Ernährt hat sich Rosemary Mayer mit ihrer Lehrtätigkeit. Dabei ging es zum Beispiel ums Illustrieren. Dass sie das selbst begeistert hat, beweisen ihre Kinderbuch-gerechten Aquarelle zum Epos „Beowulf“ als wilde Fantasy-Geschichte. Die Frau war wirklich innerlich frei und unbeschwert.

Bis 18. September,

Mi. bis So. 10-18 Uhr, Di. bis 20 Uhr; Telefon: 089/23 39 69 33.

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