Meinungsfreiheit als Lebensthema

von Redaktion

Der Schriftsteller Salman Rushdie, einst mit einer Fatwa geächtet, feiert 75. Geburtstag

VON PAULA KONERSMANN

Unlösbar sind Person, Leben und Werk von Salman Rushdie mit einem Datum verknüpft: mit dem 14. Februar 1989. An diesem Tag verurteilte der iranische Religionsführer Ayatollah Khomeini den Schriftsteller mit einer Fatwa zum Tode. Begründet wurde der islamische Richtspruch damit, dass Rushdies Buch „Die satanischen Verse“, ein Jahr zuvor erschienen, „gegen den Islam, den Propheten und den Koran“ gerichtet sei.

Rushdie hat dies, zum Teil mit einigen Anstrengungen, überlebt. An diesem Samstag feiert er seinen 75. Geburtstag. In den vergangenen Jahren stieß sein Lebensthema – der Kampf für die Meinungsfreiheit – auf erhöhte Aufmerksamkeit. Denn immer wieder eskalierte dieser Streit. Die Ermordung des niederländischen Regisseurs Theo van Gogh 2004. Der Streit um die Mohammed-Karikaturen, die 2005 in einer dänischen Zeitung erschienen. 2015 der Anschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“. All das waren besonders drastische Stationen einer Auseinandersetzung, die manche als Zusammenprall von westlicher und islamischer Kultur betrachten.

Rushdie, 1947 als Sohn muslimischer Eltern in Bombay geboren, lebte unterdessen über viele Jahre unter Polizeischutz in verschiedenen Verstecken. Erst seit einiger Zeit tritt er wieder öffentlich auf. Über sein Leben unter der Todesdrohung berichtet der Autor, den Königin Elizabeth II. allen Protesten aus Teheran zum Trotz sogar in den Adelsstand erhob, in seiner Autobiografie „Joseph Anton“ von 2012.

Mit 14 Jahren kam Rushdie nach England. In Cambridge studierte er Geschichte und arbeitete zunächst am Theater, als freier Journalist und als Werbetexter. Das Buch „Mitternachtskinder“ (1981), für das er den renommierten Booker-Preis erhielt, verschaffte ihm den internationalen Durchbruch. In seinem jüngsten Roman „Quichotte“ (2019) griff er aktuelle Themen wie Rassismus und Medienkritik auf. Die Textsammlung „Sprachen der Wahrheit“, die im vergangenen Jahr erschien, gibt Einblicke in sein politisch-philosophisches Denken. Die Wahrnehmung von Salman Rushdie bleibt indes geprägt durch das Todesurteil. Während des Corona-bedingten Lockdowns hätten Leute ihm gesagt, er kenne doch das Leben in Isolation und Gefahr, sagte der Autor dem „Spiegel“. Aus seiner Sicht ließen sich diese Situationen allerdings nicht vergleichen. Die Welt nach der Pandemie schätzt Rushdie derweil düster ein: Er rechne damit, dass es „eine Generation oder mehr“ brauchen werde, um die sozialen Schäden zu kitten.

Die Fatwa gegen den Schriftsteller verurteilten religiöse Autoritäten und Vertreter der ägyptischen Al-Azhar-Moschee indes als illegal: Die Scharia gestatte es nicht, einen Menschen ohne ein Gerichtsverfahren zum Tode zu verurteilen, argumentierten sie. Im März 1989 widersprachen alle Mitgliedsstaaten der Organisation der Islamischen Konferenz der Fatwa – mit Ausnahme des Iran. Dessen ungeachtet werden die Drohungen weiterhin vertreten.

So wurde die Meinungsfreiheit zu Rushdies Lebensthema. Sie sei ein Menschenrecht, betonte der Autor 2015 auf der Frankfurter Buchmesse. Der Iran boykottierte damals die größte Bücherschau der Welt – wegen Rushdies Auftritt. Allerdings bedrohten nicht nur Terror und Gewalt die Meinungsfreiheit, sondern auch Political Correctness, mahnte der Autor: Die französischen Aufklärer hätten vor 200 Jahren die Macht der Kirche gebrochen – heute gelte es erneut, gegen Versuche von Religionen anzugehen, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken.

Bereits nach dem Attentat auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ bezeichnete Rushdie die Religion als „eine mittelalterliche Form der Unvernunft“. Mit modernen Waffen kombiniert werde sie „zu einer echten Gefahr unserer Freiheiten“, hieß es noch am Tag des Anschlags in einer Erklärung des Autors. Derartiger religiöser Totalitarismus habe „zu einer tödlichen Mutation im Herzen des Islam geführt“.

Bei aller Religionskritik mahnt Rushdie auch immer wieder zu Gelassenheit. „Den Krieg gegen den Terror kann man nicht gewinnen“, sagte er einmal der Deutschen Welle. Man könne dem Terror nur trotzen, so der Schriftsteller, indem man nicht zu Hause bleibe – und der Furcht keinen Raum gebe.

Viele Jahre musste der Autor unter Polizeischutz leben

Bei aller Kritik an der Religion mahnt er zur Gelassenheit

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