Überkochende Milch

von Redaktion

Christian Springer im Lustspielhaus

VON RUDOLF OGIERMANN

Politik und Privates, Standpunkte und Alltag, Redensarten und Lebenseinstellungen – warum nicht sie konsequent miteinander in Verbindung bringen? Christian Springer nutzt die Küchenkatastrophe der überkochenden Milch für den Appell, „daneben stehen zu bleiben und aufzupassen“ – und will das als grundsätzliche Haltung verstanden wissen. Ihm ist das Weltgeschehen bekanntermaßen „Nicht egal“ (so auch der Titel seines neuen Solos), und der Kabarettist tut an diesem Premierenabend im Münchner Lustspielhaus alles dafür, dass auch sein Publikum nicht passiv bleibt, draußen und wenn’s darauf ankommt.

Immer wieder flicht der Münchner Autobiografisches in seine rasante Rede ein, spricht vom elterlichen Obst- und Gemüsegeschäft, in dem das Klappern zum Handwerk gehörte, und von den Anfängen auf der Bühne. Mit großer Leidenschaft erzählte Geschichten, die sich abwechseln mit Sätzen zu aktuellen Ereignissen – dem Krieg in der Ukraine, der Wirtschafts- und der Klimakrise.

Doch vieles bleibt seltsam unausgegoren, im Zweifel ist der schnelle Lacher wichtiger als die ultimative Pointe, etwa wenn Windräder kombiniert werden mit Männern in kurzen Hosen, weißen Socken und Sandalen. Wovon sollte man wohl mehr Abstand halten? Die CSU sei wieder zurück, frohlockt Springer und bleibt doch die erwartete Attacke schuldig. Christian Lindner, Sprachkritik und Atombombe – ein Sammelsurium von Sujets, die unausgearbeitet wirken, vielleicht eine Folge von Corona, das die gesamte Zunft dazu gezwungen hat, ihre Programme stets aufs Neue der Aktualität anzupassen und Premieren immer wieder zu verschieben.

Was Christian Springer zum Glück nicht verlernt hat, ist sein Gefühl für eine gute Performance. Sein heiliger Zorn auf die bestehenden Verhältnisse, der sich aus seinem eigenen sozialen Engagement speist, macht ihn authentisch. Der Münchner kann laut und leise, seine wohlklingende Mundart tut ein Übriges, den Funken überspringen zu lassen. Das rettet einen Abend, an dem was aufklärerisch beginnt, manchmal in einer gewissen Beliebigkeit endet.

Nächste Vorstellungen

am 7. Juli, Stadthalle Germering, sowie am 24. September, Lustspielhaus.

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