Der Schlager-Münchhausen

von Redaktion

FILMFEST MÜNCHEN Rosa von Praunheims „Rex Gildo“ feiert heute Premiere

VON JÖRG HEINRICH

Hossa! Ein Wort genügt, und jeder über 30 weiß, um wen es geht: Rex Gildo, Sexy Rexy, einst Deutschlands feschester Schlagerstar – und am Ende ein verzweifelter Mensch, der 1999 nach dem Sprung aus einem Toilettenfenster an der Münchner Ottostraße starb. Regisseur und Regenbogen-Legende Rosa von Praunheim hat Leben, Leiden und Lügen des Ludwig Franz Hirtreiter in der Doku-Fiktion „Rex Gildo – Der letzte Tanz“ verfilmt, die heute auf dem Filmfest München Premiere feiert und ab 29. September im Kino läuft.

Rosa von Praunheim, der im November 80 wird, erzählt mit viel Empathie die Geschichte des Buben aus Straubing, der im miefig-piefigen Nachkriegs-Deutschland zum Liebling der Nation aufsteigt – aber nur, solange niemand merkt, dass er Männer liebt. Denn das würde nicht nur die Karriere des Rex Gildo auf einen Schlag beenden. Es wäre bis 1969 durch den „Schwulenparagrafen“ 175 auch kriminell.

Also stellt er seinen dominanten Manager und Lebensgefährten Fred Miekley bis zu dessen Tod 1988 als seinen „Onkel“ vor – und heiratet seine eigene Cousine Marion. Der Film zeigt, dass kaum etwas echt und authentisch war an diesem bedauernswerten Mann, am Schlager-Münchhausen – weder der Name noch das Alter noch die Haare, die er schon mit 27 unter einem Toupet versteckt. Und bei den Regensburger Domspatzen, die in keiner seiner Biografien fehlen dürfen, war er auch nur zwei Wochen. Erst jetzt, im Tod, haben die Lügen ein Ende: Rex, sein Lebensmensch Miekley und Ehefrau/Cousine Marion ruhen für immer vereint in einem Grab am Münchner Ostfriedhof.

Praunheim hat einen Mix aus Spielfilm, Doku und Theaterinszenierung gedreht, mit Ben Becker als klebrigem Fred Miekley, der den jungen Hirtreiter in einem Münchner Kaufhaus quasi aufreißt. Nachwuchs-Entdeckung Kilian Berger sieht dem jungen Gildo gespenstisch ähnlich, altert bis in die Achtzigerjahre dann aber wundersamerweise gar nicht. Und Kai Schumann erinnert eher an Rudolph Moshammer als an den tragikumflorten Endzeit-Gildo, den Schlager-Dino, den T. Rex mit seinen unwürdigen Möbelhaus-Auftritten.

Die kurzweilige Inszenierung macht das aber wieder gut. Conny Froboess oder Gitte Haenning, mit der Gildo eine Romanze vorzugaukeln hatte, erinnern sich an einen phänomenal begabten Sänger und Tänzer, der an seiner Zerrissenheit zugrunde ging. Rosa von Praunheim erkundigt sich ungeniert bei Gitte: „Hattest Du jemals Sex mit Rex?“ Nein, hatte sie natürlich nicht. Und verhärmte Sexy-Rexy-Fans, die durchs Bild geistern, beschimpfen den Regisseur für seinen Schwulen-Film: „Rosa von Praunheim, Sie sind eine alte Sau!“

Am bitteren Ende singt Rex Gildo das Lied seines Lebens. Nein, nicht „Fiesta Mexicana“, sondern „Wer das verbietet, weiß nichts von der Liebe“.

„Rex Gildo – Der letzte Tanz“

feiert heute, 21 Uhr, im Kino Sendlinger Tor Premiere; weitere Vorstellungen im Rahmen des Münchner Filmfests sind morgen, 21.30 Uhr, bei „Kino, Mond & Sterne“ im Westpark sowie am Samstag, 16 Uhr, im Rio 1, Rosenheimer Straße 36.

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