Wahnsinn mit Methode

von Redaktion

PREMIERE „Shakespeares sämtliche Werke“

VON KATRIN BASARAN

Das Stück kommt ein bisserl zu spät! Für die Abiturienten, die sich auf ihre Deutsch-Prüfung mühsam durch manchen Klassiker quälen mussten, wäre eine Zusammenfassung wie diese sicher nützlich und unterhaltsam zugleich gewesen: „Shakespeares gesammelte Werke (leicht gekürzt)“ sollte am Donnerstagabend im Münchner Hofspielhaus die Open-Air-Saison einläuten. Weil es leider regnete, wurde die Premiere einfach flott ins Loft des Theaters an der Falkenturmstraße verlegt.

„Ist dies Wahnsinn, hat es doch Methode!“ Kein anderes Zitat wie das von Polonius aus „Hamlet“ passt so gut zum Vorhaben der Darsteller Leon Sandner, Christoph Theussl und David Hang: Das Trio will nach einem 1987 uraufgeführten Stück der US-Amerikaner Adam Long, Daniel Singer und Jess Winfield in knapp zwei Stunden alle 37 Shakespeare-Werke auf die Bühne bringen, die 154 Sonette ausgeklammert.

Klar, dass man sich vorab fragt, wie das gelingen soll – denn eigentlich würde die Aufführung aller Stücke hintereinander 120 Stunden dauern. Doch noch vor der Pause sind alle Werke zitiert und allein „Hamlet“ wartet noch auf sein grandioses Finale. Zu diesem Zeitpunkt hat sich das Publikum bereits an den Rand eines Zwerchfellkrampfes gelacht: Zu komisch, wie Sandner, Theussl und Hang mit großem Ernst und noch mehr Würde in alle Rollen schlüpfen, in Sekundenschnelle Kostüme wechseln und Zitate glaubhaft deklamieren – na ja, die meisten.

Wie geht das? Indem man zum Beispiel alle Komödien zu einer zusammenfasst – sie stehen ja nicht nur unter literarischem Plagiatsverdacht, sondern sind bekanntlich „weniger lustig als die Tragödien“. Auch das Schicksal Othellos ist anhand eines Schokokusses, früher politisch unkorrekt „Mohrenkopf“ genannt, flott erzählt – und wird einfach aufgegessen. Und wer ist dazu besser geeignet als Theussl, der einzige Österreicher im Ensemble? „Minderheit spielt Minderheit“ – so gibt’s gleich noch einen Verweis in die Gegenwart. Die ganze Königsbande von Richard III. bis Johann wird auf den Fußballplatz geschickt, König Lear wird freilich disqualifiziert – er ist ja nur erfunden.

Und dann also „Hamlet“. Den Prinzen von Dänemark gibt’s gleich dreimal – einmal lang, einmal kurz und einmal rückwärts. Kompliment an die Requisite, die voller Fantasie – Ophelia „ertrinkt“ in einem blauen Rock, Laertes als Draufgänger bekommt Sonnenbrille und Goldkette, der Geist ein weißes Tuch mit Glühbirnen – Lacher garantiert und das Gebaren des Schauspieltrios gekonnt unterstreicht. Dieser Abend hatte alles: Komik ohne Klamauk, Tempo und definitiv wehte Shakespeares Geist durchs Hofspielhaus.

Weitere Vorstellungen

bis 20. Oktober; Telefon: 089/24 20 93 33, www.hofspielhaus.de.

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