Es ist angerichtet

von Redaktion

Claus Lehner hat die Jazz-Legende Al Di Meola nach München geholt

VON REINHOLD UNGER

Wie schafft man es als ambitionierter Hobbymusiker, einen Weltstar auf die eigene CD zu kriegen? Am besten, man lädt sich erst mal bei ihm zu Hause zum Abendessen ein. Klingt verrückt? Ist aber genau der Grund, warum Al Di Meola, vielfach dekorierter, inoffizieller Weltmeister des Hochgeschwindigkeits-Gitarrenspiels, gerade zum Videodreh mit der Münchner Band Silverpark in seine einstige Wahlheimat zurückgekehrt ist. Wir haben den Griffbrettmeister am Rande des Shootings im Bayerischen Hof zum Gespräch getroffen.

„Im August 2020 hatten wir Freunde zu Gast in unserem Haus in New Jersey, für die ich italienisch gekocht habe“, erzählt ein aufgekratzter Di Meola. „Meine Frau hat das live gestreamt, und irgendwann – ich hatte wohl schon etwas Wein getrunken – habe ich in die Kamera gesagt: ‚Wenn Ihr auch mal vorbeikommen wollt – gerne!‘ War natürlich nur ein Spaß.“ Allerdings einer mit ungeahnten Folgen: Bei Pasta und Rotwein mit dem Gastgeber fachsimpeln wollten so viele Fans, dass der Hausherr begann, ernsthaft darüber nachzudenken: „Könnte doch eine coole Sache sein, solange wir eh nicht touren können. Aber wenn schon, wollten wir etwas Einzigartiges daraus machen, und so habe ich vorgeschlagen, nach dem Essen runter in mein Studio zu gehen, wo ich ein kleines Privatkonzert gebe. Oder auch mal eine Unterrichtsstunde für Fortgeschrittene, oder wir jammen einfach, je nachdem.“

Einer der Fans, die Appetit auf kulinarische und akustische Köstlichkeiten im Hause Di Meola hatten, war Claus Lehner, im Brotberuf Vorsitzender der Geschäftsführung des Münchner Immobilienunternehmens Dawonia. „Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden“, erinnert sich der in seiner Freizeit als Singer-Songwriter aktive Lehner. Und weil gerade eine CD-Produktion seines Projekts Silverpark anstand, brachte der musische Manager den Mut auf, Di Meola zu fragen, ob der nicht darauf Leonard Cohens „Chelsea Hotel“ mit seiner Fingerfertigkeit veredeln wolle. Er wollte. Und weil man zur Single-Auskopplung des Cohen-Songs aus dem aktuellen Album „Endless Sleep“ auch ein Video brauchte, sitzt Di Meola nun neben der fünfköpfigen Band auf der Night-Club-Bühne der Nobelherberge und füllt geschickt die Lücken zwischen den Textzeilen mit gitarristischen Ornamentierungen, während man als Zuhörer staunt, wie nahe Lehners Stimme der von Cohen kommt.

Glück und Chuzpe muss man eben haben – und vielleicht auch das nötige Kleingeld. Denn ganz billig ist ein Drei-Gänge-Menü plus Privatkonzert in der Casa Di Meola nicht. Dafür bekommt man im Top-Segment (16 500 US-Dollar) aber nicht nur nach des Hausherrn eigenem Rezept zubereitete Cavatelli mit Pignoli genannten Pistazienkernplätzchen („Eine meiner Spezialitäten, die kriegt man in keinem Restaurant“), sondern auch eine von des Meisters Sechssaitern als Souvenir. Was die Frage aufwirft, wie viele Gitarren Di Meola besitzt: „Weiß ich gar nicht, schätzungsweise etwa 60. Ich habe die nie gezielt gesammelt, irgendwie sammeln sich die einfach an.“ Wenn Di Meola nicht gerade zahlungskräftige Gäste bekocht („Einmal hatten wir drei Essen in einer Woche, da habe ich 15 Pfund zugelegt.“) oder an neuen Projekten arbeitet, durchforstet er das eigene Riesenarchiv von Live-Mitschnitten aus der ganzen Welt. Und fördert verloren geglaubte Schätze zutage: Rund 40 Jahre nach „Friday Night in San Francisco“, dem legendären Trioalbum mit Fusion-Pionier John McLaughlin und Flamenco-Meister Paco de Lucia, gibt es nun die am Tag des Münchner Videodrehs erschienene Samstagnacht auf CD und Vinyl. Di Meola: „Nicht einmal John konnte sich erinnern, dass wir damals am Ende unserer Welttournee noch ein zweites Konzert in San Francisco gespielt hatten.“

Was selbst eingefleischte Di-Meola-Fans nicht wissen: Der Musiker hat bereits einmal drei Jahre in München gewohnt – der Liebe wegen. Nachdem er 2013 seine heutige Frau Stefanie kennengelernt hatte, die damals als Journalistin in München arbeitete, verlegte er kurzerhand seinen Wohnsitz an die Isar. Von der Zeit schwärmt er heute noch in allen Facetten, von den Radtouren durch den Englischen Garten bis zu einem für den weltweit gefragten Musiker besonders wichtigen Detail: „Ich war im siebten Himmel, immer vom besten Flughafen Europas abfliegen zu können.“ Und dann gibt es da ja auch noch eine viel weiter zurückreichende bedeutsame Verbindung zu München. Als Di Meola in den Achtzigerjahren gravierende Rückenprobleme plagten, rieten ihm mehrere US-Spezialisten zu einer angeblich alternativlosen Wirbelsäulen-OP. Bis ihm Boris Becker und McLaughlin die heilenden Hände von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt empfahlen. Nach acht Sitzungen beim damaligen Bayern-Doc (O-Ton Di Meola: „Er ist ein Gott.“) waren die Beschwerden verschwunden und die komplizierte Operation obsolet. Als Familie Di Meola nach drei Jahren und der Geburt von Töchterchen Ava 2016 in die USA zog, gab man die Münchner Wohnung auf. „Aber falls wir hier irgendwann mal wieder eine Bleibe brauchen sollten“, grinst Di Meola in Richtung seines Gourmet- und Gitarren-Kumpels Claus Lehner, „dann habe ich dafür ja jetzt die besten Kontakte.“

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