Tradition oder Ausgrenzung?

von Redaktion

Streit bei den Passionsspielen in Oberammergau um die Besetzung einer Nebenrolle

Christian Stückl hält zwar große Stücke auf Traditionen, aber wenig von dieser Regel des Oberammergauer Passionsspiels. Weil sie für ihn nichts mit Tradition zu tun hat, sondern mit Ausgrenzung. Denn nicht jeder darf bei der Inszenierung mitmachen: Zugezogene müssen mindestens 20 Jahre im Ort wohnen. 1960 wurde diese Klausel eingeführt, um die Flüchtlinge aus den Ostgebieten auszuklammern. Schon oft hat Spielleiter Stückl angekündigt, dieses Gesetz kippen zu wollen (wir berichteten).

Jetzt hat er sich darüber hinweggesetzt und eine Nebenrolle an eine nicht-spielberechtigte Person vergeben. Eigenmächtig. „Ich habe ihm die Berechtigung erteilt.“ Stückl, hörbar mitgenommen, will und darf sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht äußern. Nur so viel: „Es ist kein Einzelfall.“ In allen Abteilungen würden Ausnahmen gemacht.

Tatsächlich gibt es Sonderregelungen beim Gelübdespiel. Beim Chor zum Beispiel singen Externe mit – zur Qualitätssteigerung. Auch bei Feuerwehr und Rotem Kreuz dürfen Auswärtige ihren Dienst verrichteten. Also in Bereichen, in denen „man sonst nicht genügend Leute zusammenbringt“, erklärt Walter Rutz, Werkleiter des Eigenbetriebs Kultur.

Bei Einlasskräften und Garderobenhelfern wäre ein Einsatz ebenfalls problemlos möglich, ergänzt Bürgermeister Andreas Rödl (CSU). Die Verantwortlichen hüllen sich ansonsten in Schweigen. Der Rathauschef bezieht keine Stellung, vertritt aber den Grundsatz „Gleiches Recht für alle“. Er, die Pressestelle der Passionsspiele und Rutz haben sich aus Vertragsgründen selbst einen Maulkorb verpasst. Sie formulieren es alle gleich: „Es handelt sich um Personalangelegenheiten.“ Hinter den Kulissen knarzt es dem Vernehmen nach aber kräftig. Gestern Abend soll es ein Treffen mit den Gemeinderäten gegeben haben. MANUELA SCHAUER

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