Wenn Guns-n’-Roses-Fans in den vergangenen Jahrzehnten etwas gelernt haben, dann ist es: Warten. In der Hochphase ihrer Hard-Rock-Helden: Warten darauf, dass sich Frontmann Axl Rose endlich erbarmt, auf die Bühne zu kommen. In der Krise: Warten, bis sich Rose und Gitarrenlegende Slash nach jahrelangem Rosenkrieg wieder zusammenraufen. Und zuletzt: Warten, bis nach mehreren Corona-Absagen die geplante Europa-Tour endlich losgeht – und die Verstärker wieder aufgedreht werden.
Doch am Freitag hatte das Warten ein Ende: Fünf Jahre nach dem letzten Gastspiel sind die Gunners zurück im Münchner Olympiastadion. Bewaffnet mit Cowboystiefeln, Sonnenbrille und seinem obligatorisch knallroten Mikrofon stürmt Axl Rose die Bühne – und wird von einem jubelnden Stadion empfangen. Mit „It’s so easy“ geht’s los. Und schon nach wenigen Songs ein markerschütternder Schrei: „Do you know where you are?“ Natürlich weiß es das Publikum. Willkommen im Dschungel!
Der erste Beweis. Die Stimme ist wieder geölt. Dabei mussten sich die Fans im Vorfeld noch Sorgen machen, ob Rose in München wirklich auf der Bühne steht.
Denn beim Auftritt in London am vergangenen Wochenende deutete sich an, dass der Gunners-Frontmann mit seiner Stimme zu kämpfen hat. „Willkommen in der Welt des Baritons“, soll Rose bei dem Auftritt gesagt haben, nachdem er wegen Stimmproblemen bei dem Guns-n’-Roses-Klassiker „Civil War“ gezwungenermaßen die Tonlage gewechselt hatte. Das Konzert fiel dann auch trotz eines Überraschungsauftritts von Countrysängerin Carrie Underwood deutlich kürzer aus als die bisherigen Gigs der Tour.
Und der für Dienstag angesetzte Stopp in Glasgow wurde prompt ganz abgesagt – „wegen Krankheit und ärztlichem Rat“, wie es auf den Social-Media-Kanälen der Band hieß. Erst am Donnerstag gab Rose Entwarnung für München.
Auch im Olympiastadion weicht er ab und an noch auf eine Oktave tiefer aus – und klar, so mühelos wie früher rasselt er sowieso nicht mehr die Tonleitern auf und ab. Aber ansonsten zeigt sich der kürzlich 60 Jahre alt gewordene Rotschopf bestens gelaunt und fegt fleißig über die Bühne. Und sein Chefgitarrist Slash? Der scheint im Gegensatz zu Rose nicht zu altern. Mit Zylinder, Lockenpracht und Pilotenbrille feuert der Altstar gewohnt lässig seine Soli aus den Fingern – während über ihm auf der Bühne die Flagge der Ukraine zu „Civil War“ im Wind weht.
Neuen Stoff haben Guns n’ Roses auch diesmal kaum im Gepäck. Seit der Wiedervereinigung 2016 ist eine magere EP mit zwei Songs erschienen, die allerdings ebenfalls aus altem Material recycelt wurden. Macht aber nichts, in München singen die Stadiongäste ohnehin am liebsten die Klassiker von „Rocket Queen“ bis „Sweet Child o’ mine“ lautstark mit. Damit die Tollwood-Gäste auch noch was davon haben. Sogar Bassist Duff McKagan darf für sein Stooges-Cover „I Wanna Be Your Dog“ ans Mikro.
Und was ist mit Nachschub aus der Feder von Slash und Rose? Könnte es irgendwann mal geben, hat Slash zuletzt immer wieder mal etwas kryptisch angedeutet. Bis dahin hilft nur, man ahnt es: Warten.