Bis an die Grenze

von Redaktion

OPERNFESTSPIELE Auftakt zum Projekt mit Hugo-Wolf-Liedern

VON TOBIAS HELL

Ganz oder gar nicht. Diese Einstellung hat Christian Gerhaher definitiv mit seinem Vorbild Dietrich Fischer-Dieskau gemeinsam. Und so bleibt es im Rahmen der diesjährigen Münchner Opernfestspiele diesmal auch nicht bei einem einzelnen Liederabend des Baritons. Um das Vokalwerk von Hugo Wolf in allen Facetten zu beleuchten, stehen bis Ende des Monats gleich drei Programme an, bei denen er mit wechselnden Partnerinnen in die Klangwelten des Komponisten eintaucht.

Zum Auftakt des Wolf-Projekts war dies Julia Kleiter, mit der Gerhaher sich das „Spanische Liederbuch“ teilte. Ein Abend, der die 44 Kompositionen nicht nach Nummerierung der Notenausgabe reihte, sondern sie mit Blick auf thematische und musikalische Bezüge dramaturgisch klug verknüpfte. Wobei vor allem in der Konfrontation von männlicher und weiblicher Perspektive interessante Kontraste zum Vorschein kamen.

Mit gleich zwei Pausen wurde es am Ende aber dennoch ein vergleichsweise langer Liederabend, der die Aufmerksamkeitsspanne des Publikums bis an die Grenzen ausreizte. Weshalb zum letzten Drittel leider nicht mehr alle verkauften Plätze im Nationaltheater besetzt waren.

Ein Verlust vor allem für die Geflüchteten, denn im Gegensatz zu den von Gerhaher teilweise arg manieriert dargebotenen und von Pianist Ammiel Bushakevitz eher monochrom begleiteten „Geistlichen Liedern“ der ersten Etappe, verdichtete sich das Programm mit dem Übergang ins Weltliche zunehmend. Bei den vertonten Liebesfreuden und Liebesnöten ließ da nicht nur Gerhaher seinen Bariton endlich frei strömen. Vor allem Julia Kleiters instrumental geführter Sopran drang hier noch einmal in neue Sphären vor. Mit langen, warm aufblühenden Phrasen, in denen sie die aufkeimende Liebe heraufbeschwor. Aber ebenso innerlich gefasst für das „Geh, Geliebter, geh jetzt!“, mit dem der Abend seinen emotionalen Abschluss fand.

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