Die Gentrifizierung hat auch ihre positiven Seiten, zumindest manchmal. Weil sich Immobilienhai Mister Butterfinger die „WunderBar“ unter den Nagel reißt, muss der legendäre Laden schließen. Und was am allerletzten Abend dort passiert – davon erzählt das neue Programm „WunderBar“ im GOP (bis 6. November), das so wundervoll und gleichzeitig wundersam geraten ist, dass man dem schmierigen Butterfinger beinahe dankbar sein möchte.
Denn ohne ihn könnten sich die Varieté-Fans jetzt nicht auf eine der lustigsten, poetischsten und spektakulärsten Shows freuen, seit das GOP 2008 in der Maximilianstraße eingezogen ist. Falls es so eine Bar in echt gibt, möchte man unbedingt Stammgast dort sein. Und dabei musste die „WunderBar“ lange auf ihre Eröffnung warten: Die Premiere war schon für Mai 2020 geplant. Dann kam die Seuche, die Macher um Regie-Routinier Detlef Winterberg konnten basteln und üben und viel Liebe investieren – bis dieses Pracht-Stück entstanden ist.
Beim Zuschauen fahren alle fünf Sinne Achterbahn. Sängerin, Co-Regisseurin und „Barbesitzerin“ Ruth von Chelius, die viele noch als Ruth Kirchner von den „String of Pearls“ kennen, schmeißt ihren Laden beim Heimspiel in München mit umwerfendem Charme und Bühnenpräsenz. Hingegossen wie Michelle Pfeiffer auf dem Flügel räkelt sie sich auf ihrem Tresen – und staunt selbst über das schräge Völkchen, das mit ihr Abschied feiert. Die Zuschauer sind schockverliebt in die französische Exzentrik-Komikerin Orianne Bernard, die sich als Femme fatale Ava „wunderschööööööön“ findet und den Kniescheiben-Ententanz beherrscht.
Winston Fuenmayor aus Venezuela verblüfft als atemberaubender Kartentrickser mit Staublunge. Trapezkünstlerin Annika Hemmerling aus Berlin wackelt als Zwerg ohne Kopf in die Bar. Sie zeigt, wie sich Artistik mit einer hinreißenden Idee ganz neu erfinden lässt. Und Barkeeper Till „TJ“ Wheels, auch aus Berlin, verwandelt die Bar in eine flirrende Rollschuhdisco. Was hier zusammengemixt wird, ist phänomenal. Fazit beim Zuschauen: geschüttelt, gerührt, gejubelt – und glücklich.