Frauen, die sich was trauen

von Redaktion

AUSSTELLUNG Die Monacensia feiert drei starke Ladys der Münchner Boheme

VON KATJA KRAFT

Münchner Boheme. Oh, das klingt fantastisch. Nach leben, lieben, luxurieren im Exzess. Immer alles auf eine Karte, immer voller Leidenschaft der persönlichen Entfaltung und geistigen Höhenflügen entgegen. Weg mit dem bürgerlichen Korsett, hinein ins freie Leben. Doch jetzt kommt der Haken. Ganz so munter, wie man sich die literarische und künstlerische Subkultur, die sich da um 1900 in München entwickelt hatte, vorstellen mag, war sie für die Protagonisten nicht. Vor allem nicht für die Protagonistinnen. Für ihr Ziel, sich aus Konventionen und Rollenerwartungen zu lösen, bezahlten sie einen hohen Preis. Mit Franziska zu Reventlow (1871-1918), Emmy Hennings (1885-1948) und Margarete Beutler (1876-1949) rückt das Literaturarchiv Monacensia im Hildebrandhaus drei Vertreterinnen der Münchner Boheme in den Fokus. Und erzählt anhand deren bewegter Leben den harten Kampf, den sie für ihre Unabhängigkeit ausfochten.

Klug inszenieren die Kuratorinnen Laura Mokrohs und Sylvia Schütz das sehr heutig. Setzen auf Fotos, markante Zitate in Jugendstil-Schrift (Gestaltung: Büro Alba). Und schlagen damit schon optisch einen Bezug zum Jetzt. Wie sehr er auch inhaltlich gegeben ist, wird einem mit jedem weiteren Themenfeld, das die Schau eröffnet, bewusster. Von der Arbeitswelt bis zur medizinischen Versorgung beleuchten Mokrohs und Schütz die Ungerechtigkeiten, mit denen Frauen zur damaligen Zeit zu kämpfen hatten. Aber wenn man dann Sätze liest wie „Tragt kein Kind, das ihr nicht ersehnt…“ (Beutler), denkt man unweigerlich an die aktuellen Debatten um das Recht auf Abtreibung. Und fragt sich anschließend, wie viel weiter wir in Fragen der Gleichberechtigung, wenn es hart auf hart kommt, tatsächlich sind.

In vielen Bereichen natürlich sehr viel weiter. Und das ist Frauen wie zu Reventlow, Beutler und Hennings zu verdanken. Gerade Erstere hätte es sich als höhere Tochter auch hübsch gemütlich einrichten können in der für sie vorgesehenen Rolle als Ehefrau und Mutter. Nur: Wie hübsch gemütlich wäre das gewesen? Denn Ehe, das bedeutete in der bürgerlichen Welt des 19. Jahrhunderts für die Frau: sich dem Manne unterordnen.

Gerade deshalb spielt der Begriff der sexuellen Befreiung eine so große Rolle. Interessant, dass etwa zu Reventlow, die sich in (köstlichen!) Büchern wie „Von Paul zu Pedro“ (1912) als auch vom Herzen her unabhängige Femme fatale inszenierte, heute vielen als ruchlose Nymphomanin erscheint. Dabei tat sie nur das, was jeder Mann tun durfte: ihre sexuellen Bedürfnisse stillen. Das aber wurde Frauen damals nicht zugestanden. Sie hatten keusch zu sein. Nebenher florierte prächtig die Prostitution. Eine bürgerliche Scheinmoral, gegen die sich Emmy Hennings in ihrem Roman „Das Brandmal“ (1920) wandte. Auszüge daraus sind in einer Vitrine zu lesen. Es sind Hennings’ schonungslose Erinnerungen an ihre eigenen Erfahrungen als Prostituierte. Denn obwohl sie für Zeitschriften wie den „Simplicissimus“ und die „Jugend“ oder als Übersetzerinnen und Autorinnen arbeiteten, reichte das Geld der Boheme-Frauen nicht immer zum Leben. So gaben sie ihre Körper. Aber ihr Geist war unkorrumpierbar. Frei. Gegen alle Widerstände.

Bis 31. Juli 2023

in der Monacensia, Maria-Theresia-Straße 23; Mo. bis Mi. und Fr. 9.30 bis 17.30 Uhr, Do. 12 bis 22 Uhr, Sa. und So. 11 bis 18 Uhr.

Ein Begleitprogramm lädt dazu ein, mehr über Frauen von einst der Münchner Boheme zu sammeln. Jeder Schnipsel, den Besucher beitragen können, nimmt das Archiv dankbar auf. Um noch mehr Frauen in Erinnerung zu rufen. Alle Infos unter www.muenchner-stadtbibliothek.de/monacensia.

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